Industrie- und Gewerbeanlagen

Aspasia-Areal

Rosenstrasse 9-14

Wo bis 1976 Seifen und Parfümerieartikel produziert wurden, befindet sich heute in spezieller und geschätzter Atmosphäre an der Rosenstrasse 9, 11, 12 und 14 ein Dienstleistungs- und Handwerkerzentrum.


Gründungsdatum
1876


Adresse
Aspasia-Areal
Rosenstrasse 9-14
8400 Winterthur
Rosenstrasse, Seifenfabrik C. Buchmann & Cie. (später Aspasia) um 1900, Ansicht von Osten
Foto: winbib (Signatur FotAspasia_001-001)

Am westlichen Rand des heutigen Aspasia-Areals steht seit 1555 die Steigmühle, lange Zeit angetrieben vom Wasser des früheren Eulachkanals. Im 19. Jahrhundert befanden sich hinter der Steigmühle eine Gerberei und Lohmühle sowie andere Handwerksbetriebe. Alle nutzten das Wasser des Kanals. Auf den Wiesen entlang der Eulach trockneten die Häute. Im Jahr 1873 wurde die Rosenstrasse ausgebaut, und in der Folge setzte eine rege Bautätigkeit ein: 1878 baute der Gerber Daniel Furrer, dem damals auch der Kanal gehörte, ein grosses Gerbereigebäude (heute Rosenstrasse 14). Im selben Jahr verkaufte Heinrich Gehring, der damalige Besitzer der Steigmühle, dem Baumeister Eberli ein Grundstück auf dem Areal für den Bau eines Wohnhauses (heute Rosenstrasse 9). Vor Fertigstellung des Gebäudes starb Eberli, und das Haus ging zurück an Gehring, der es 1880 dem 35-jährigen Carl Buchmann-Hauser, einem jungen Seifenfabrikanten, weiterverkaufte.

Die Ära der Seifenfabrik C. Buchmann & Cie. (Aspasia AG)

Buchmann zog mit seiner Frau Bertha (aus der Familie Hauser, Neumühle Töss), seiner Schwester Barbara und drei Kindern an die Rosenstrasse. Er erweiterte seinen 1876 gegründeten Toilettenseifen- und Parfümerie-Betrieb und beauftragte den Architekten Joseph Bösch (1839-1922), einen Schüler von Gottfried Semper und selbst Professor am Technikum, für den Bau eines Siederei- und eines zweigeschossige Magazingebäudes (heute Rosenstrasse 11). Zur Finanzierung der Fabrik gründete Buchmann mit zwei Freunden, dem Stadtrat Eduard Hasler-Ziegler und dem Kaufmann Gustav Egg-Wäffler, eine Kommanditgesellschaft. Die Produktion feiner Toilettenseifen und Parfümerieartikel ging voran – an der ersten Landesausstellung in Zürich konnte Buchmann seine Produkte ausstellen.
Als nach dem Tod von Daniel Furrer 1893 das Gerbereigebäude, zwei Brücken über die Eulach und ein ansehnliches Grundstück samt dem Kanal und den Wasserrechten zum Verkauf anstanden, war dies für die C. Buchmann & Cie. der Moment, sich noch einmal zu vergrössern – einerseits für den Fabrikbetrieb, andererseits zur Schaffung einer zusätzlichen Einnahmequelle durch Fremdvermietung von Räumlichkeiten. Die noch heute bestehende Passerelle – das Wahrzeichen der Aspasia – verband ab 1893 die beiden Fabrikbereiche. Durch die Zunahme ausländischer Konkurrenz ging die Nachfrage nach einheimischen Luxusseifen im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts zurück, was die ökonomische Situation der Firma beeinträchtigte, zudem zerstörte 1900 ein Feuer das Fabrikgebäude Rosenstrasse 11 vollständig.
1902 übernahmen die beiden Söhne von Carl Buchmann die Leitung der Fabrik – der Chemiker Ernst Buchmann war zuständig für die Produktion, der Kaufmann Paul Buchmann-Sträuli für die Verwaltung und den Vertrieb. Dem Unternehmen der beiden Brüder war kein Erfolg beschieden, und auch die Pläne für die Gründung einer Kartonnagefabrik erwiesen sich als Sackgasse. Dank der Unterstützung der Ehefrau von Paul Buchmann, Frieda Buchman-Sträuli, deren Familie und von befreundeten Familien konnte der Betrieb 1914 gerettet werden, die aufgelaufenen Schulden wurden amortisiert. Die Kommanditgesellschaft wurden als Aktiengesellschaft weitergeführt. Im neuen Namen Aspasia AG verschwand zwar der Name des Gründers, doch «Aspasia» erinnert bis heute an den bekanntesten Markennamen der Fabrik, der seit den 1880er Jahren sowohl für Toilettenseifen als auch für Parfumerieprodukte benutzt wurde.
Um 1914 befanden sich auf dem Aspasia-Areal neben den Fabrikgebäuden einige Schuppen, aber auch ein grosser Gemüsegarten und eine kleine Parkanlage mit exotischen Pflanzen. Mit der Anschaffung zweier Automobile Anfang 1920er Jahre wurden die Schuppen auf dem Areal in Garagen umfunktioniert; in den folgenden Jahrzehnten wurden weitere Garagen gebaut, deren Vermietung sich als sichere Einnahmequelle erwies.
Nach dem frühen Tod von Ernst Buchmann im Jahr 1921 übernahm dessen Bruder Paul Buchmann die Fabrikleitung alleine. Eine Herausforderung war in der Folge die Suche nach einem Chemiker, denn das Weiterbestehen der Aspasia AG war abhängig von der Entwicklung neuer attraktiver Produkte für den Markt. 1930 fand sich mit der Anstellung von Dr. Hans Kalkbrenner aus Deutschland eine ausgezeichnete Lösung. Ihm war die Entwicklung der seinerzeit bekannten Marken Rasofix, Lactoderma und einer Kosmetikseife für Elizabeth Arden zu verdanken.
1950 zerstörte ein Grossbrand die ehemalige Gerberei an der Rosenstrasse 14. Für den Wiederaufbau eines modernen Fabrikgebäudes mit Lift wurde der Architekt Gustav Adolf Kellermüller beauftragt. 1953 hob die Stadt Winterthur den Eulachkanal auf.
Bis zu seinem Tod 1962 blieb Paul Buchmann Präsident des Verwaltungsrates. Die Leitung der Aspasia AG übergab er 1953 seinem Sohn, dem Rechtsanwalt Dr. Gerhard Buchmann-Kollbrunner. Dieser führte die Firma bis 1976, als die Produktion definitiv eingestellt und das verbliebene Personal (fast alle schon im AHV-Alter) entlassen wurde. Seine Ehefrau, Gertrud Buchmann-Kollbrunner betrieb von 1955-1973 im Erdgeschoss an der Rosenstrasse 14 die gut florierende Wäscherei REGO.

Umnutzung des Areals seit den 1980er-Jahren

Das stillgelegte Aspasia-Areal war eine der ersten Industriebrachen in Winterthur, und es war lange unklar, was damit geschehen sollte. In den 1980er Jahren und später mieteten sich verschiedene Betriebe und Organisationen ein wie die selbstverwalteten ARBA-Betriebe, die TEDAG Dichtungstechnik AG, verschiedene Architektur- und Planungsbüros, das Grünwerk, eine Schreinerei, das Brockenhaus Tropfe, eine der ersten Kinderspielgruppen in Winterthur, ein Geigenbauer, die Fateba mit ihren Liegevelos, eine Sprachschule, das Frauenzentrum, die Associazione Pugliese und andere mehr. Infolge der Umnutzung gab es in den Folgejahren kleinere und grössere Renovationen, die teilweise von den Mietern selber ausgeführt wurden. Mit der Zeit wurde aus dem Provisorium eine dauerhaftere Lösung, die Übernahme des Areals durch den Kanton Zürich für das Technikum war nur kurze Zeit ein Diskussionsthema.
Seit 2000 verfolgt die Aspasia AG eine konsequent auf ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit ausgerichtete Verwaltung des Areals. 2012 entstand über dem einen Garagengebäude an der Rosenstrasse 12 ein moderner Neubau (Architekt Markus Bellwald).

Benutzte und weiterführende Literatur

Farbiger Marktflecken. Beim Bummeln durch die Stadt, in: Der Landbote 1977/133, S. 11.
Arias Industriekultur, Aspasia AG. Ehemalige Seifenfabrik. Bauhistorisches Gutachten im Auftrag der Denkmalpflege, 1996.
Aspasia AG (Hg.), 100 Jahre Aspasia AG Winterthur. Festschrift, 2014.
Carl Buchmann, In 14 Tagen von Winterthur nach Leipzig & Stockholm & zurück. Reisebericht eines Bürgers im Jahr 1897. Mit einer Einführung von Anna-Verena Fries, 2014.

Bibliografie

    Aspasia, Seifenfabrik

    • Einträge ab 2011

      Zwei Brände, zwei Weltkriege. In: Winterthurer Stadtanzeiger, Nr. 35 (2014). S. 1-3. m. Abb.
      100 Jahre Aspasia AG Winterthur. Festschrift 2014. hrsg. Anna-Verena Fries u.a. Aspasia AG, Winterthur, 2014. 71 S., iil.
      Widmer, Urs: Aspasia. In: Dokumentation Urs Widmer, Bauwerke, Häuser und Villen St-Z 2 S.
      Widmer, Urs: Aspasia. In: Dokumentation Urs Widmer, Firmen A-Z, Diverse Themen A-Z 4 S.
      Widmer, Urs: Seifen Sträuli. In: Dokumentation Urs Widmer, Firmen A-Z, Diverse Themen A-Z 2 S.
      Sedioli, Claudia: Seifen und soziale Verantwortung: Die Renaissance der Aspasia in Winterthur. In: Winterthurer Jahrbuch, 2023. S. 74-78. m. Abb.
      Naef Binz, Claudia: Brühlgutstiftung lässt Aspasia-Seife wieder aufleben. In: Winterthurer, Zeitung, Nr. 47 (2023). S. 5. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      200 Jahre Industriekultur: Toilettenseife: Landbote 2002/249 1Abb.
      Verschiedene Kleinbetriebe: Landbote 2005/246 m.Abb.

    Buchmann, Carl, Seifenfabrik und Parfümfabrik Aspasia

    • Einträge ab 2011

      In 14 Tagen von Winterthur nach Leipzig & Stockholm & zurück. Reisebericht eines Bürgers im Jahr 1897 ... Zum 170. Geburtstag von Carl Buchmann am 7. Februar 2014. Von Anna-Verena Fries. Zürich, 2014. 86 S., ill.
      Widmer, Urs: Vrene Fries Buchmann erinnert sich anlässlich des Jubiläums 125 Jahre Aspasia . In: Dokumentation Urs Widmer, Bauwerke, Häuser und Villen St-Z 2 S.


Autor/In:
Anna-Verena Fries
Letzte
Bearbeitung:
09.11.2022