Burgen, Schlösser und Stadtbefestigung

Burgstelle Gamser

Neben Bruderhaus und Eschenberghof ist der Gamser das dritte bekanntere Jogger- und Spazierziel der Winterthurer im Eschenberger Wald. Dass der Ort früher im Alltag der Stadtpolizei eine Rolle spielte, ist hingegen weniger bekannt.


1980er-Jahre: Eschenberg, Gamser Foto: winbib (Signatur 051356)
Der Gamser ist ein markanter Vorsprung am südlichen Ende des Eschenbergs, des - mit 760 Hektaren - grössten zusammenhängenden Waldes auf Stadtgebiet. Seine Position hoch über dem Linsental und der Töss, gegenüber der Kyburg, prädestinierte den Hügel als Standort für eine Befestigung. Tatsächlich stand hier im Mittelalter eine Burg, welche durch einen doppelten Graben gegen Norden gesichert war. Die Feste diente zum Schutz der Kyburg und des Verkehrs entlang dem Flussbett der Töss und wurde von Vasallen der Grafen von Kyburg besetzt. Das Geschlecht der Gams(er) (oder Gans, wie sie anderweitig genannt werden) muss die Burg schon früh verlassen haben. Jedenfalls war die Familie schon im vierzehnten Jahrhundert in der Stadt selbst ansässig.

1412 zählte ein Hans Gans schon zum alten Rat, der Stadtregierung. Noch auf der Gyger-Karte von 1667 ist die Burg als solche eingezeichnet. Mitte des 19. Jahrhunderts sah man noch Überreste eines Turms und 1896 stiess man auf Ruinen eines Steingebäudes. Heute noch sind zwei Wälle und Gräben und auf dem Hügelsporn ein wohl künstlich angelegtes, rundes Plateau zu erkennen. Auf letzterem sind eine Feuerstelle und einige Bänke für Ausflügler installiert worden. Ein weiterer Hinweis auf die ehemalige Feste könnte übrigens auch ganz in der Nähe der Flurname „Burgstal“ sein, gemäss Idiotikon „Stätte einer niedergerissenen oder abgebrannten Burg“.

Von Interesse sind aber auch die steil ins Linsental abfallenden Flanken des Gamsers. Die Waldfläche am südöstlichen Hang, im Gebiet der „Chalberweid“, wurde in den Neunzigerjahren als Waldreservat ausgeschieden. Hier wird der Wald sich selber überlassen und werden keine waldwirtschaftliche Eingriffe vorgenommen. Gleichzeitig stehen an den Südhängen des Eschenbergs auch die grössten Schutzwälder auf Stadtgebiet. Denn die Hänge oberhalb der Töss sind relativ unstabil, nicht selten kommt die Erde ins Rutschen. So ereignete sich 1995 an der Ostflanke des Gamsers ein grosser Hangrutsch, dessen Spuren heute immer noch sichtbar und auch auf der Landeskarte verzeichnet sind. Und was hat die Stadtpolizei mit dem Gamser zu tun?

Folgendes: Betrunkene, die in der Stadt nächtens beim Randalieren erwischt wurden, kamen nicht immer – wie andernorts – in die Ausnüchterungszelle beim Polizeiposten; vielmehr wurden sie im Patrouillenwagen zum Gamser gefahren und dort ausgeladen. Den Rückweg mussten sie darauf allein und zu Fuss antreten. In ihrem Zustand dauerte das seine Zeit, manchmal bis Tagesanbruch. In der Regel waren die betreffenden „Kunden“ beim Eintreffen in der Breiti, nach der Durchquerung des ganzen Eschenbergwalds, wieder einigermassen nüchtern. „Gamserle“ hiess die Methode polizei-intern, wie ehemalige Beamte, die damals dabei waren, hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand bestätigen. Die Prozedur wurde aber spätestens in den Achtzigerjahren aufgegeben und würde heute „garantiert nicht mehr“ angewandt. Text von Jean-Pierre Gubler


Autor/In:
Heinz Bächinger
Unredigierte Version
Letzte
Bearbeitung:
02.03.2022