Museen, Sammlungen und Bibliotheken

Fotomuseum Winterthur

Grüzenstrasse 44/45

Das Fotomuseum Winterthur eröffnete 1993 als erstes Museum dieser Art in der Deutschschweiz. Der Schwerpunkt der Ausstellungen liegt auf zeitgenössischer Fotografie. Im Laufe der Jahre hat das Museum ein internationales Renommee aufgebaut. Das Museum befindet sich in zwei gegenüberliegenden ehemaligen Industriegebäuden an der Grüzenstrasse 44 und 45.


Gründungsdatum
1993


Adresse
Fotomuseum Winterthur
Grüzenstrasse 44+45
8400 Winterthur
1 / 3

Das Fotomuseum Winterthur geniesst internationale Bekanntheit und zieht Besuchende von nah und fern an. Aufnahme 1999. 
Foto: winbib (Signatur, Marc Dahinden)

Ein lebendiges Zentrum für die Fotografie

Anfang der 1990er-Jahre wuchs in Winterthur das Bedürfnis, ein lebendiges Ausstellungs- und Diskussionsforum zu schaffen. Dort sollte das Medium Fotografie in all seinen Facetten diskutiert und aufgearbeitet werden. Zu dieser Zeit beschäftigten sich bereits das Musée de l’Elysée in Lausanne, das Photoforum Biel und die Schweizer Stiftung für Fotografie im Zürcher Kunsthaus mit dem Thema. Das Fotomuseum sollte nach dem Willen der Initiierenden «ohne ideologische Einschränkungen» auskommen und ein wahres «Kulturmuseum» werden. Es verstand sich nicht als direkte Konkurrenz zu den bisherigen Institutionen, sondern als Ergänzung. Treibende Kräfte hinter dem Anliegen waren der Fototheoretiker Urs Stahel, der Verleger Walter Keller und der Unternehmer George Reinhart. Sie wollten, dass internationale Fotograf:innen eine Plattform erhalten. Zudem sollten historische Aufnahmen in ihrem geschichtlichen Kontext gezeigt werden können und es sollte Raum geben, um sich mit den technischen Facetten der Fotografie auseinanderzusetzen.

Die Gründung des Museums fand in wirtschaftlich schwierigen Zeiten statt und wäre ohne private Finanzierung chancenlos gewesen. Für die Realisierung stellte Andreas Reinhart, der Bruder von George Reinhart und damalige Besitzer der Handelsunternehmung Gebrüder Volkart AG, die ehemalige «Kultursagi» zu einem symbolischen Mietpreis zur Verfügung. Das 1877 errichtete Fabrikgebäude war eine ehemalige Webereifabrik, an die 1913 eine Shedhalle angebaut wurde. Als Hauptstifter trat der Winterthurer Mäzen George Reinhart auf. Er brachte rund 2,15 Millionen Franken in die neugegründete Stiftung Fotomuseum Winterthur ein, deren Präsident er war. Mit diesem Geld finanzierte die Stiftung den Umbau. Auch der Kanton Zürich beteiligte sich mit einem Investitionsbeitrag von 300'000 Franken. Zur Trägerschaft gehören neben der Stiftung auch ein Unterstützungsverein.  

Das Aufkommen von Fotomuseen zeigt eine veränderte Wahrnehmung der Fotografie in der Gesellschaft. In Europa galt die Fotografie lange Zeit nicht als Kunst, da viele der Meinung waren, dass «alle» fotografieren könnten. In den Vereinigten Staaten verlief die Entwicklung anders. Dort wurden Fotografierende bereits im frühen 20. Jahrhundert mit Malenden gleichgesetzt und genossen grosses Ansehen.

Sammlung zeitgenössischer Fotografie

Das Fotomuseum verfügt über eine eigene Sammlung. Diese konzentriert sich auf Werke ab 1960. Neben der dokumentarischen und erzählenden Fotografie kauft das Museum gezielt Werke junger Fotograf:innen an. Seit 2015 sammelt das Museum auch postfotografische Werke. Zum erweiterten Kreis der Sammlung gehört eine Fachbibliothek zur Fotografie, die gemeinsam mit der Fotostiftung Schweiz betrieben wird.

Ausstellungen, die zu Reden geben

Als erster Kurator wirkte Urs Stahel. Er arbeitete damals als Dozent für Fotografie und Kunst an der Schule für Gestaltung in Zürich und war Kunstkritiker bei der Zeitschrift «Du». Das Fotomuseum Winterthur eröffnete am 29. Januar 1993 mit der Ausstellung «New Europe» des Engländers Paul Graham. Diese Ausstellung war eine Farbreportage, die sich kritisch mit dem europäischen Traum eines vereinten Kontinents auseinandersetzte. Jährlich setzt das Fotomuseum etwa fünf bis acht Hauptausstellungen mit Begleitprogramm um. Mit seinen Ausstellungen beteiligt sich das Fotomuseum immer wieder an zeitgenössischen Debatten und diskutiert das Medium Fotografie auf unterschiedliche Weise, wie folgende Auswahl zeigt: 1994 präsentierte das Fotomuseum die thematische Ausstellung «Industriebild» und bot damit eine umfassende Aufarbeitung der fotografischen Dokumentation der Schweizer Industriegeschichte. Viele der Aufnahmen stammen aus der Winterthurer Grossindustrie. Ein wichtiger lokaler Akteur war der Werkfotograf Giorgio Wolfensberger. 1995 zeigte das Museum mehrere Portraits von Adolf Hitler aus dem Nachlass des Fotografen Heinrich Hoffmann. Eine der komplexesten Ausstellungen war «Darkside I» im Jahr 2008 mit über 130 Leihgebenden zum Thema Fotografie und Erotik. 2009 folgte «Darkside II» zum Thema Gewalt, Krankheit und Tod. Eine der bisher erfolgreichsten Ausstellungen war jene über Ai Wei Wei im Jahr 2011. 2013 feierte das Fotomuseum seinen 20. Geburtstag. Im selben Jahr trat der langjährige Kurator Urs Stahel ab und verabschiedete sich mit der Ausstellung «Concrete – Fotografie und Architektur».

Auf ihn folgte Thomas Seelig als Interimsdirektor und danach ab 2017 Nadine Wietlisbach. Mit «The Hobbyist» widmete das Fotomuseum erstmals den Hobbyfotograf:innen eine eigene Ausstellung. Dabei ging es um das Verhältnis zwischen Fotografie und Hobbykultur. Mit «Fotografinnen an der Front» brach das Museum mit der Vorstellung, dass die Kriegsfotografie ein durchwegs männlich besetztes Berufsfeld sei.

Neben den Ausstellungen und Publikationen bildet die Vermittlung einen der tragenden Pfeiler des Museums. Diese findet nicht nur vor Ort im Museum statt, sondern auch an Tagungen, in Schulen oder online.

Erweiterungen

Im Jahr 2003 erweiterte das Fotomuseum erstmals seine Räumlichkeiten und eröffnete das Museumsbistro. Der Name «Bistro George» würdigt den 1997 verstorbenen George Reinhart. In diesem Zusammenhang zog die Schweizerische Fotostiftung auf das Areal. Seither arbeiten die beiden unabhängigen Institutionen eng zusammen. Von 2023 bis 2025 erfolgte die Gesamtsanierung des Gebäudes sowie der Neubau anstelle eines alten Wohnhauses im Hinterhof. Die baulichen Massnahmen schaffen vor allem im Bereich Vermittlung mehr Raum. Der Kanton Zürich unterstützte den Neubau mit 6,5 Millionen Franken. Die Gesamtkosten beliefen sich auf etwa 16 Millionen Franken. Die feierliche Wiedereröffnung fand am 17. Mai 2025 statt. 


Benutzte und weiterführende Literatur

Dworschak, Helmut: Fotomuseum Winterthur: Das Fotomuseum wird saniert und schliesst für anderthalb Jahre, in: Der Landbote, 27.06.2023.
Wehowsky, Stephan: 20 Jahre Fotomuseum Winterthur, in: journal21.ch, 18.06.2013.
o.A.: Fotografie als Kunst, in: Wir Brückenbauer, 27.01.1993.
Sda: Ergänzung statt Konkurrenz, in: Der Bund, 27.11.1992.
Fsda: 500 Quadratmeter Ausstellungsfläche, in: Freiburger Nachrichten, 25.11.1992.
M.D. Gegen den Bild-Analphabetismus, in: Neue Zürcher Zeitung, 25.11.1992.
o.A: Neues Museum. Aufbruch und Umbruch, in: Bieler Tagblatt, 19.03.1992.

Bibliografie


Autor/In:
Nadia Pettannice
Unredigierte Version
Letzte
Bearbeitung:
23.06.2025
BESbswy