Film und Literatur

Internationale Kurzfilmtage Winterthur

Steiggasse 2

Die Internationalen Kurzfilmtage Winterthur sind das bedeutendste Kurzfilmfestival der Schweiz. Seit 1997 finden sie jährlich in Winterthur statt und haben sich von einem kleinen Pilotprojekt zu einer international anerkannten Plattform für den Kurzfilm entwickelt. Der veranstaltende Verein betreibt zudem das grösste Kurzfilmarchiv der Schweiz.


Gründungsdatum
1997


Adresse
Internationale Kurzfilmtage Winterthur
Steiggasse 2
8401 Winterthur
2002: Kino Palace, 6. Internationale Kurzfilmtage Foto: winbib, Heinz Diener (Signatur FotDig_Lb_002-141)

Von der Bieridee zum Internationalen Festival

Die ersten Kurzfilmtage fanden 1997 in der Alten Kaserne statt. Es handelte sich um ein Pilotprojekt, das Mitglieder des Filmfoyers und des Kinos Nische im Ehrenamt organisiert hatten. Zu den Gründungsmitgliedern zählten unter anderem Stefan Busz, Rolf Heusser und Maya Fahrni. Gezeigt wurden ausschliesslich Kurzfilme mit einem Schwerpunkt auf Schweizer Filmen sowie Werken aus den deutschsprachigen Nachbarländern und Beiträgen aus dem ersten Gastland Polen. Das Angebot stiess auf reges Interesse – die Kurzfilmtage waren mit rund 700 Zuschauenden komplett ausverkauft. Dies veranlasste die Organisierenden, den Verein Kurzfilmtage Winterthur zu gründen und fortan jährlich ein Festival zu organisieren. Damit folgten sie einem allgemeinen Trend in Winterthur und der Schweiz, wo es zu einer Gründungswelle von Kulturangeboten in den Bereichen Film, Theater und Musik kam.

Bei der dreitägigen zweiten Auflage zeigten die Kurzfilmtage bereits über 100 Filme. Auch das zweite Gastland, Kuba, war dabei. So reisten auch Filmschaffende, die in ihren Ländern nicht frei arbeiten konnten, nach Winterthur. Dies führte zu einigen abenteuerlichen Aktionen, da einige Kurzfilme schwarz über den Zoll in die Schweiz einreisten. Erstmals gab es zudem einen Publikumspreis zu gewinnen. Mit rund 1500 Zuschauenden über drei Tage stiess die Infrastruktur in der Alten Kaserne jedoch an ihre Grenzen. Die Mitwirkenden mussten nach einer neuen Lösung suchen. Aufgrund des ungebrochenen Interesses träumten die Festivalmachenden von einem grossen Internationalen Kurzfilmfestival. Dafür benötigten sie finanzielle Unterstützung und professionalisierte Strukturen.

Kurzfilmtage werden international

Die 4. Kurzfilmtage Winterthur waren gleichzeitig die 1. Internationalen Kurzfilmtage. Dem Verein gelang es, das verfügbare Budget im Vergleich zum Vorjahr zu verdreifachen auf 120'000 Franken. Die Veranstaltung fand damals in der Alten Kaserne und neu auch im traditionsreichen Kino Palace statt. Erstmals vergab eine Jury Preise in der Höhe von insgesamt 12'000 Franken. Am internationalen Wettbewerb nahmen 17 Nationen mit 42 Filmen teil. Ein Team von 15 Personen bildete das Organisationskomitee und erhielt dafür erstmals eine kleine Entschädigung – jedoch noch keinen Lohn. Mit 4000 Zuschauenden war das Festival abermals ein grosser Erfolg. Damit etablierte sich Winterthur als neue Hauptstadt des Kurzfilms in der Schweiz. Ein einziges Problem blieb der chronische Platzmangel – immer wieder mussten Interessierte abgewiesen werden.

Im Jahr 2002 bezogen die Internationalen Kurzfilmtage erstmals das Casinotheater in Winterthur. Die Veranstaltenden rechneten erneut mit einer Verdoppelung der Zuschauerzahlen auf 8000. Für ihre Verdienste ehrte der Zürcher Regierungsrat das Festivalkomitee im Jahr 2002 mit einem Zustupf von 15'000 Franken in Form einer Kulturauszeichnung. Der Regierungsrat erkannte damit die mehrjährige Aufbauarbeit und die vielen ehrenamtlichen Arbeitsstunden an – rund 8000 Stunden im Jahr 2002. Insgesamt wurden damals 993 Filme gezeigt.

Katerstimmung bei der Förderung

2006 feierte das Festival bereits sein zehnjähriges Bestehen. Mittlerweile waren alle Gründungsmitglieder aus dem OK ausgeschieden und der Generationenwechsel vollzogen. Trotz der zunehmenden Professionalisierung verzichtete das Festival nach wie vor auf eine künstlerische Leitung. Stattdessen wurde die Filmauswahl von einer grösseren Kommission getroffen. Meinungsverschiedenheiten gehörten dazu. Das Festival setzte stets auf Vielfalt.

Die Filmfestivals in der Schweiz boomten. Das Angebot war gross, gleichzeitig zog der Bund die Sparschraube an. 2007 kürzte er die Förderung für die Internationalen Kurzfilmtage um rund ein Drittel. Die Stadt Winterthur zeigte im selben Jahr ihre Anerkennung und verlieh dem OK den Kulturpreis.

Improvisation als Markenzeichen

Ein Markenzeichen der Internationalen Kurzfilmtage war von Anfang an das Improvisationstalent und der Pragmatismus der Organisierenden. So mussten nicht nur genügend Räumlichkeiten für das Publikum gefunden werden, sondern regelmässig auch Unterkünfte für die aus der ganzen Welt anreisenden Filmschaffenden. In öffentlichen Aufrufen wurden jeweils Privatpersonen gesucht, die sie während des Festivals bei sich zu Hause beherbergten. So zog die internationale Kurzfilmszene wortwörtlich in die Wohnungen Winterthurs ein. Nach der Schliessung des Kino Palace im Jahr 2009 fanden die Internationalen Kurzfilmtage im Stadttheater eine neue Spielstätte, die deutlich mehr Kapazitäten bot.

Das grösste Kurzfilmarchiv der Schweiz

Die Internationalen Kurzfilmtage etablierten sich als feste Grösse im Winterthurer Kulturprogramm. Die Stadt würdigte diese Bedeutung im Jahr 2016 erneut, indem sie die Subventionsbeiträge verdoppelte. Überregional bedeutsam sind auch die Bemühungen des Vereins um den langfristigen Erhalt, die Pflege und die Vermittlung des audiovisuellen Kulturerbes. So präsentierten die Internationalen Kurzfilmtage an ihrer 20. Ausgabe erstmals mehrere Episoden der Schweizer Filmwochenschau, die im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts des Bundesarchivs, der Cinémathèque Suisse und des Vereins Memoriav digitalisiert und über memobase.ch öffentlich zugänglich gemacht wurden. Die Kurzfilmtage selbst unterhalten mittlerweile das grösste Kurzfilmarchiv der Schweiz.

Winterthur als Sprungbrett zu den Oscars

Die Wettbewerbe der Internationalen Kurzfilmtage sind für die Kurzfilmszene von grosser Bedeutung, denn die in Winterthur gezeigten Beiträge qualifizieren sich seit einigen Jahren für Oscar-Nominierungen.

Durch das stetige Wachstum wurde auch der Betrieb zunehmend professionalisiert. Neben einer künstlerischen und einer kaufmännischen Leitung arbeiten mittlerweile rund zehn Festangestellte für den Verein, der das ganze Jahr über aktiv ist. Mit rund 18'000 Eintritten verzeichnete das Festival im Jahr 2023 einen erneuten Publikumsrekord. Trotz des Erfolgs war die finanzielle Lage angespannt: Das Festival schloss mit einem Defizit von über 100'000 Franken ab. Die Einnahmen aus dem Ticketverkauf decken nur einen kleinen Teil der Gesamtkosten. Finanziert werden die Kurzfilmtage grösstenteils von der öffentlichen Hand sowie zu einem Viertel durch Sponsoring, Stiftungen und Gönnerschaften.

Was sind Kurzfilme?

Alle Filme, die kürzer sind als 30 Minuten, gelten in der Regel als Kurzfilme – die Grenzen sind jedoch fliessend. Sie zeichnen sich durch eine grosse thematische und gestalterische Vielfalt aus: Kurzfilme können erzählerisch, dokumentarisch oder experimentell sein, auch Werbespots und Musikvideos gehören dazu. Charakteristisch ist die Verdichtung der Handlung. Aufgrund der kürzeren Spieldauer sind auch die Produktionskosten geringer, was oft zu einem grösseren gestalterischen und künstlerischen Freiraum führt.

Historisch gesehen bildeten Kurzfilme den Anfang der Kinokultur. Erst in den 1920er-Jahren setzten sich Langfilme mit einer Spieldauer von über zwei Stunden durch. Mit ihrem Erfolg begann auch die Kommerzialisierung des Kinos, wodurch der Kurzfilm zunehmend aus den grossen Sälen verdrängt wurde und bald eine eigene Nische bildete. Heute gilt die Kurzfilmszene als wichtiges Sprungbrett für Nachwuchstalente. Das Internet und die sozialen Medien haben neben den verschiedenen Kurzfilmfestivals massgeblich zur erneuten Popularisierung des Kurzfilms beigetragen.


Benutzte und weiterführende Literatur

Dworschak, Helmut: Stehen die Kurzfilmtage vor dem Aus?, in: Der Landbote, 22.10.2025.
Dworschak, Helmut: Kultur in Winterthur: Kurzfilmtage machen trotz Publikums­rekord Verlust, in: Der Landbote, 16.07.2025.
Dworschak, Helmut: «Kino ist immer Sehen und Nicht-Sehen», in: Der Landbote, 10.11.2016.
Gru.: Von der Bieridee zum Festival: 20 Jahre Winterthurer Kurzfilmtage, in: srf.ch, 07.11.2016
Busz, Stefan: Kulturpreis für die Kurzfilmtage, in: Der Landbote. 08.11.2007.
Binotto, Johannes: Lang leben die Kurzen, in: Neue Zürcher Zeitung, 07.11.2006.
Klar.: Kanton ehrt Kurzfilmtage, in: Tages-Anzeiger, 12.11.2002.
Flo.: Winterthurer Kurzfilmtage finden resonanz weit über die Stadt hinaus, in: Tages-Anzeiger, 31.10.2002.
Gmür, Martin: Nischen trotz Kinomonopol, in: 27.10.2000.
To.: Die Kurzfilmtage sind auf einen Erfolg programmiert, in: Tages-Anzeiger, 08.11.1999.
Hess, Nicole: Kurz und Schmerzhaft. 3. Kurzfilmtage Winterthur, in: Neue Zürcher Zeitung, 15.11.1999.
Gmür, Martin: Die Kurzfilmtage stossen an ihre Grenzen, in: Tages-Anzeiger, 17.11.1998.

Bibliografie

    Kurzfilmtage, Winterthurer

    • Einträge ab 2011

      Van de Weetering, Senta: Zwei neue Gesichter für die Kurzfilmtage. In: Winterthurer Jahrbuch (2014). S. 140-143. m.Abb.
      Gisler, Silvan: Wer zum Kuckuck ist Europa? In: Coucou, Nr. 22 (2014). S. 15-17. m. Abb.
      Biberstein, Sandra: Openair-Kino einmal anders. In: Coucou, Nr. 21 (2014), S. 22-25. m. Abb.
      Garne, Jigme: Frag nie "Warum?". In: Coucou, Nr. 11 (2014). S. 16-18. m. Abb.
      Speiser, Regina: 25 Jahre Kurzfilmtage. In: Winterthurer Jahrbuch 2022. S. 192. m. Abb.
      Felber, Julien: Vom Stagehand zum Festivaldirektor. In: Coucou, Nr. 141 (2025). S. 14-19. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      Erste: Spots 1997/46. - Winterthurer Arbeiterzeitung 1997/162 1Abb., 164. - Landbote 1997/266 1Abb. - Tages-Anzeiger 1997/267.
      Grenzen: Tages-Anzeiger 1998/267 [Winterthurer Dok. 1998/43]. - Landbote 2000/266.
      Internationales Kurzfilmfestival: Tages-Anzeiger 2000/261 Maja Zimmermann, Filmerin aus Seuzach.
      5.: NZZ 2001/264 S. 44 von Johannes Binotto, 1Abb.
      2002: NZZ 2002/264 S. 42. - Landbote 2002/266, 267, 269 Auszeichnung. - Stadtblatt 2002/46.
      Rückblick: Winterthurer Jahrbuch 2003 von Florian Keller, m.Abb.
      2005: Landbote 2005/244 1Abb. - NZZ 2005/268.
      Station Wülflingen: Landbote 2006/173 1Abb.
      10 Jahre: NZZ 2006/259 S. 52 von Johannes Binotto, 1Abb., 265 S. 48. - Winterthurer Zeitung 2006/44. - Zürcher Oberländer 2006/260 1Abb.
      Subventionen. Kürzung: Landbote 2007/178.
      2008: Landbote 2008/248 m.Abb., 259 1Abb. - NZZ 2008/258 S. 53, 273 m.Abb. - Landbote 2008/273 m.Abb.
      International Short Film Festival in Zürich: Landbote 2009/168.
      2009: Landbote 2009/257 m.Abb., 260 m.Abb.
      Kurzfilmpreis: Landbote 2009/276 m.Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
22.10.2025