Stadtkreise und Quartiere

Oberwinterthur

Oberwinterthur ist einwohnermässig der grösste der sieben Stadtkreise mit 23'760 Einwohnern (vor Winterthur-Stadt 21'220 und Seen 19‘205 (Zahlen 2018). Er liegt östlich des Stadtzentrums am Fusse des Lindbergs und liegt auf einer Fläche von 1740 km2. Auf dem Kirchenhügel von Oberwinterthur erbauten die Römer einst das Kastell Vitodurum, den Ausgangspunkt in der Entstehungsgeschichte von Winterthur.


Undatiert: Vicus Vitudurum, Modell Foto: winbib, Kantonale Denkmalpflege Zürich (Signatur 067490)

Vitudurum war eine römische Siedlung auf heutigen Stadtgebiet von Winterthur. Um das Jahr 1 entstanden entlang des römischen Verkehrsweges, der von vindonissa (Windisch) an den Bodensee führte, erste, sicher nachgewiesene Bauten nordöstlich des Kirchhügels von Oberwinterthur. Nach neuester dendrologischer Forschung konnte bei Ausgrabungen unter dem heutigen Hause Römerstrasse 187 aus Gehölze das Jahr 4 vor Christus nachgewiesen werden. Nach laufendem Ausbau entstand bis zum Jahre 70 n. Chr. ein vicus, ein römisches Strassendorf mit dafür charakteristischen Streifenhäusern in Fachwerktechnik, einer über ein Leitungssystem funktionierenden Wasserversorgung und Werkstätten wie Schmieden und Töpfereien und einer durch erhaltene Bottiche nachgewiesene Gerberei.

Im Park „unteres Bühl“ (vis-à-vis des Restaurants Sonneck) sind entsprechende Ausgrabungen markiert. Ebenso fanden sich öffentliche Gebäude, die auf dem heute gut ergrabenen und dokumentierten Kirchhügel angelegt waren. Es handelt sich hierbei um einen um 80 n. Chr. errichteten gallo-römischen Tempel, ein sogenanntes fanum, mit rechteckigem Grundriss, turmartiger cella und einem von Säulen getragenen Umgang. Südöstlich befand sich ein dem Tempel zugehöriges Nebengebäude. Beide wurden von einer Mauer umfasst und bildeten dadurch das temenos, den heiligen Bezirk. Dieser wurde an der östlichen Längsseite von weiteren drei Streifenhäusern gesäumt, wobei das mittlere Streifenhaus einen deutlich höheren Wohnkomfort aufwies und dadurch als öffentliches Gebäude interpretiert wird. Der den Tempelbezirk an der südlichen Schmalseite flankierende Steinbau wird aufgrund der Anlage des Wasserleitungssystems als Therme gedeutet. Im Zuge der in der Mitte des 3. Jh. wiederholt erfolgenden Alemanneneinfälle wurde der Kirchhügel im Jahre 294 n. Chr. befestigt und zu einem Kastell ausgebaut.

Das Gründungsdatum wurde durch eine erhaltene Bauinschrift überliefert, welche möglicherweise am Haupttor der Kastellmauer eingelassen war und sich heute im Winterthurer Rathaus befindet. Ebenfalls in diese Zeit fällt das Vergraben eines Hortfundes im so genannten "Unteren Bühl", dem Westteil des vicus. Nebst auf Baufunde stützt sich das heutige Wissen um Aussehen, Alltag und Entwicklung des römischen Oberwinterthur auf zahlreiche Kleinfunde, von denen die hier genannten Keramikfunde, Fibeln, bronzenen Votivstatuetten, kleineren Terrakotten und aussergewöhnlichen Glasgefässe nur eine geringe Auswahl einer grossen Fülle an Fundmaterial darstellen. Keines der Fundstücke jedoch datiert sich jünger als "nach 400 n. Chr.". Mit dem Abzug der römischen Truppen von der Rheingrenze und dem Niedergang des Kastells erfährt vitudurum ein Abbruch der archäologischen Quellen.

Im Mittelalter war Oberwinterthur eine alemannisch-fränkische Siedlung, die 1264 an Rudolf von Habsburg kam. Die Grafschaft Kyburg, zu der nun Oberwinterthur gehörte, wurde 1424 und dann endgültig 1452 von Österreich der Stadt Zürich (wie auch Seen, Töss und Veltheim) abgetreten. Das Pfarreigebiet umfasste nach der Abtrennung der Vorstädte und Mühlen von Winterthur (1482), von Töss (1526) und von Seen (1649) noch die Orte Hegi, Zinzikon, Stadel, Grundhof, Mörsburg und Ricketwil. Die politische Gemeinde Oberwinterthur deckte sich mit der Kirchgemeinde und wurde 1922 mit der Stadt Winterthur vereint.

Zeugen der Römerzeit

Archäologen sind bei weiteren Grabungen in den Jahren 2006/07 in Oberwinterthur auf die Überreste eines römischen Steinhauses sowie eines Brunnens gestossen. Der neue Fund zeigt, dass die römische Bautätigkeit in Oberwinterthur bis ins dritte Jahrhundert andauerte. Bei den Rettungsgrabungen am Kastellweg (zirka hinter dem Haus Römerstrasse 197) in Oberwinterthur sind die Kantonsarchäologen auf weitere Reste der alten römischen Siedlung gestossen. Unter anderem entdeckten die Archäologen ein rund zehn Meter breites und möglicherweise bis zu 16 Meter langes Steingebäude. Das Gebäude erfuhr bis ins dritte Jahrhundert mehrere Umbauten und wurde danach aufgegeben. Das Haus hatte eine reiche Innenausstattung. So fanden die Archäologen zum Beispiel zahlreiche Stücke von bemaltem Wandverputz. Vor dem Gebäude erstreckte sich ein Kiesweg und auf einem Kiesplatz davor befand sich ein Brunnen. Mit über drei Metern ist der römische Brunnen der bislang tiefste seiner Art in Oberwinterthur. Es handelt sich um das zweite römische Steinhaus, das in Oberwinterthur zum Vorschein kam. Damit vergrössert sich der Teil der Siedlung, der mit Steinbauten bestückt war. In der einfachen Siedlung Vicus Vitudurum, in der Holzhäuser die Regel waren, ist dies ein wichtiger Fund.

Nebst dem Gebäude fanden die Archäologen auch zahlreiche Gegenstände aus Bronze, Glas und Knochen, Werkzeuge aus Eisen und Blei sowie Geschirr, die einen Einblick in das Leben der Römer erlauben. Unter dem Parkplatz des früheren Hotel Restaurant Römertor ist ein Teilstück der römischen Strasse konserviert worden. Die vier bis sechs Meter breite Strasse verlief auch damals so, wie heute noch die Römerstrasse verläuft. Diese Strasse war zur Römerzeit eine wichtige Verbindung von Vindonissa (heute Windisch) über Aqua (Baden) und Claudia (Kloten) nach Ad Fines (Pfyn) und weiter zum Bodensee. Nebst den Thermen und Tempel auf dem Kirchhügel, dessen Grundrisse vor der heutigen Kirche im Belag markiert und gut ersichtbar sind, kann man unter dem Chor der refomierten Kirche St. Arbogast Oberwinterthur ebenfalls Überreste der Römer besichtigen.

Es sind dies ein Hypokausts (römische Heizung) des ehemaligen Warmbades (caldarium), Bauresten der Thermen und ein Abwasserkanal. Nach Voranmeldung beim Sigristen können auch diese wertvollen Funde besichtigt werden.

Bibliografie

    Oberwinterthur. Katholische Kirchgemeinde St. Marien

    • Einträge 1991–2010

      100 Jahre: Oberi Zytig 2007/166 von Stefanie Randon. - Landbote 2007/154 von Christian Lanz, 1Abb. - Festschrit zum 100-jährigen Bestehen der Pfarrei St. Marien/ Hrsg. Pfarrei St. Marien ; Projektleiter Martin Müller. -Hinwil, 2007. - 80 S. : Ill
      Lebensecke: Landbote 2007/273.
      Organist und Kirchenchorleiter. Neu Alexander Seidel: Landbote 2010/65 1Abb.


Autor/In:
Heinz Bächinger
Unredigierte Version
Letzte
Bearbeitung:
13.02.2023