KMU und Gewerbe

Skifabrik Flattich Seen

1933–1965

Rund 30 Jahre lang produzierte die Wagnerei Flattich in Seen hölzerne Skis unter dem Markennamen Jaguar. Mit dem technologischen Wandel und dem zunehmenden Einsatz von Kunststoffen in der Skiproduktion konnte die Firma schliesslich nicht mehr mithalten. 1965 wurde die Produktion eingestellt.


Auflösung
1965

Gründungsdatum
1933


Firmengründer Johann Flattich (1896–1973), undatiert.
Foto: zVg. Familie Wagner-Flattich, Bernhard Stickel

Ski made in Seen

In den 1930er-Jahren erfreute sich der Skisport wachsender Beliebtheit und entwickelte sich allmählich zum Breitensport. Grosse Skiproduzenten gab es kaum – stattdessen begannen vereinzelt lokale Holzverarbeitungsbetriebe, eigene Ski herzustellen. Auch die Wagnerei Flattich in Seen stieg in die Produktion ein.

Treibende Kraft war Johann Flattich. Er stammte aus einer Handwerkerfamilie, die in Siebnen (SZ) eine Sägerei, Schreiner und Wagnerei betrieb. Sein Bruder Otto war ein begeisterter Skifahrer, und so baute die Familie schon in den 1920er-Jahren erste Holzskis für den Eigenbedarf. Johann übernahm dieses Handwerk und zog in den 1930er-Jahren mit seiner Frau Magdalena Marti nach Seen. Am Sägeweg 1 eröffnete der gelernte Wagner seine Wagnerei und wohnte selbst in der benachbarten Ziegelhütte.

Die ersten Skis fertigte er in Handarbeit aus langen Eschenholzbrettern. Eine moderne Skibindung gab es noch nicht – die Schuhe wurden direkt auf dem Brett befestigt, weshalb die Skier in der Mitte oft etwas breiter waren als vorne und hinten. Die Spitzen wurden im heissen Wasserbad gekocht, gebogen und eingespannt, bis das Holz abgekühlt war. Ansonsten waren die Skis unbehandelt – erst später kamen Metallkanten, Kunststoffteile und Lackierungen hinzu.

Die ersten drei Skis produzierte Johann Flattich für Mitglieder des Turnvereins Seen. 1934 verlegte er seine Werkstatt an die Oberseenerstrasse 35, wo er den Maschinenpark erweiterte. Mit besseren Sägen konnte er die Produktion rationalisieren und grössere Mengen herstellen. Einige Jahre später stellte er einen gelernten Skimacher aus Tirol ein – ein weiterer Schritt in Richtung Professionalisierung.

Seemer Skis für die Armee

Während des Zweiten Weltkriegs bestellte die Schweizer Armee bei Johann Flattich mehrere weiss lackierte Skis für ihre Gebirgstruppen. Der Einsatz von Skiern war Teil eines umfassenderen Förderprogramms: In sogenannten Jugendskilagern wurde der Skisport gezielt gefördert, um die alpinen Regionen zu unterstützen und den Ausfall ausländischer Touristen zu kompensieren. Gleichzeitig galt General Henri Guisan als passionierter Skifahrer. Er sah im Skisport eine ideale Betätigung, um die physischen und moralischen Kräfte der Eidgenossen zu stärken. Damit wurde der Skisport ein wichtiger Bestandteil der Geistigen Landesverteidigung.

Materialfragen und technische Entwicklung

Mit der zunehmenden Beliebtheit des Skisports und dem Ausbau der Wintersportinfrastruktur stiegen auch die Anforderungen an das Material. Feuchter Schnee war ein grosses Problem für die hölzernen Skier: Anfangs wurden sie einfach eingewachst – sobald das Wachs abgetragen war, sog sich das Holz mit Wasser voll und glitt kaum noch. Bald setzte sich deshalb ein spezieller Skilack mit dem Namen «Skigliss» durch, der das Holz versiegelte und die Gleitfähigkeit verbesserte.

Johann Flattich verfolgte die Entwicklungen auf dem Skimarkt aufmerksam und passte seine Produkte stetig an. Eine der grössten Schwachstellen waren die Skispitzen – sie brachen relativ schnell ab. Frühe Skitourengänger führten deshalb oft Ersatzspitzen aus Aluminium mit sich. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich das widerstandsfähigere Hickory-Holz aus Nordamerika durch. Dieses war allerdings deutlich teurer, was sich auch auf die Verkaufspreise auswirkte.

Flattich war gut vernetzt mit Berufskollegen: Man half sich gegenseitig aus und teilte sich sogar die Marke Jaguar. Die Seemer Skis wurden in verschiedenen Winterthurer Sportgeschäften verkauft – und direkt in der Stube von Johann Flattich. Zu den treuesten Abnehmern gehörte die Skiriege des Turnvereins Seen.

Das Ende der Skiproduktion

In der Hochkonjunktur der 1950er-Jahre erreichte der Skiboom einen Höhepunkt. Viele alpine Dörfer hatten inzwischen eigene Skigebiete. Gleichzeitig veränderte sich auch das Skifahren: Neue Angebote wie Buckelpisten erforderten flexibleres und robusteres Material. Die neuen Aluminiumskis waren leichter, stabiler und passten besser zu den dynamischen Anforderungen des modernen Skisports.

Holzskis konnten mit dieser Entwicklung nicht mehr mithalten. 1965 stellte Johann Flattich die Skiproduktion ein. Fortan konzentrierte er sich auf andere Erzeugnisse seiner Wagnerei – darunter Rohlinge für Pickelstiele, Holzgriffe und Holzräder.


Benutzte und weiterführende Literatur

Stickel, Bernhard: Ein wehmütiger Blick zurück auf die Zeit, als Seen fast Wintersport-Ort war, in: Seemer Bote, Februar 2025.
Abplanalp Andrej: Von der Abhärtung zum Fun, in: Blog, Schweizerisches Nationalmuseum, 24.02.2021.
Stickel, Bernhard: Ski aus Seen, in: Seemer Bote, 2, 2014. 

Bibliografie


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
01.07.2025