Burgen, Schlösser und Stadtbefestigung

Stadtbefestigung

Die Winterthurer Stadttore entstanden im Zuge der Stadtbefestigung vom 12. bis ins 14. Jahrhundert. Im 18. Jahrhundert galt Winterthur mit seinen Türmen und Toren als eine der schönsten Städte der Schweiz. Ihre militärische Bedeutung hatte die Befestigungsanalage zu dieser Zeit aber bereits seit längerem verloren. Im 19. Jahrhundert machten sich liberale Kräfte für den Abriss der Stadttore stark. Sie sahen in der alten Stadtbefestigung bloss noch ein Hemmis für Verkehr, Handel und Industrie. 1835 beschloss die Gemeindeversammlung den Abriss der Tore.


Stadtansicht Winterthur, Luftbild um 1648
Foto: winbib (Signatur 010021_O)

Befestigung der Kernstadt

Auf dem Gebiet der Stadt Winterthur befand sich im 12. Jahrhundert eine Marktsiedlung der Grafen von Kyburg. Diese besassen im Gebiet der heutigen Bezirke Winterthur und Andelfingen enorme Ländereien. Die Bauern, die das Land bestellten, mussten den Grafen Abgaben in Form von Naturalien leisten. Die eingezogenen Vorräte liessen die Grafen aber nicht alle auf die Kyburg transportieren, sondern lagerten sie unter anderem in der Siedlung, die auf dem heutigen Gebiet der Stadt Winterthur lag, ein. Das Gebiet schien den Kyburgen attraktiv: der Ort war ein Knotenpunkt wichtiger Landstrassen und verfügte an der Eulach über Mühlen. Damit die gelagerten Vorräten vor feindlichen Überfällen und vor Dieben geschützt waren, wurde die Siedlung um 1200 befestigt. Die Kyburger verfolgten mit der Befestigung vor allem wirtschaftliche Interessen. Als erstes wurde planmässig und innerhalb kurzer Zeit die Kernstadt, die eine quadratische Form aufwies und sich zwischen Neumarkt, Technikumsstrasse, Unterem Graben und Stadthausstrasse befand, mit einem Graben befestigt. An einzelnen Stellen konnte später auch die Existenz eines Walls nach gewiesen werden. Unklar ist bis heute, ob zuerst nur Wall und Graben bestanden haben und die Stadtmauer mit den Toren erst später gebaut wurden oder ob alles zur gleichen Zeit entstanden ist. Erste schriftliche und baugeschichtliche Belege für die Existenz einer Stadtmauer gibt es erst aus der Zeit um Mitte des 13. Jahrhunderts. 1255 findet sich eine Quelle mit dem Vermerk «intra muros oppidi Winterthur». Sie gibt Hinweis auf die Existenz einer Stadtmauer. Als weiterer Beweis fand man an der Technikumsstrasse 20 einen Balken der zeigt, dass 1265/66 ein Steingebäude an die bereits bestehende Stadtmauer angebaut worden war. 

Die Stadttore

Im Zuge der Errichtung der Stadtmauer wurden die ersten vier Stadttore gebaut. Im Westen entstand mit dem Unteren Tor am Graben (später: dem Untere Bogen) die Eintrittspforte in die Stadt. Im Osten ermöglichte das Obere Tor am Graben (später: der Obere Bogen) den Zugang zur Stadt und im Süden war es das Steigtor und im Norden das Schmidtor. Der Weg durchs Untere Tor führte in Richtung Töss und Zürich, das Obere Tor lag auf dem Weg nach Frauenfeld und St. Gallen und weiter an den Bodensee, das Schmidtor führte nach Schaffhausen und über das Steigtor gelangte man über den Heiligberg und Eschenberg ebenfalls nach Zürich.

Die Befestigung der Vorstädte

Vor den Toren wuchs die Stadt weiter. Im 13. Jahrhundert entstand östlich der Stadtmauern im Anschluss an die Kernstadt ein neuer Siedlungsteil. Erstmals wird die östliche Vorstadt im Stadtrechtsprivileg von 1264 erwähnt. Sie wurde bis 1250/60 mit Wall und Graben befestigt. In einer zweiten Phase  wurde um 1300 oder im 14. Jahrhundert um die östliche Neustadt eine erste Stadtmauer und dann das Obertor gebaut. Der Obere Bogen, der zuvor das Tor zur Stadt war, lag nun innerhalb der Stadtmauern und wurden in seiner Funktion als Stadttor durch das Obertor, ersetzt. Im Westen entstand vor dem Unteren Tor spätestens ab dem 13. Jahrhundert ebenfalls eine kleine Siedlung entlang der heutigen Untertorgasse. Die Einträge in einem Habsburger Urbar aus den Anfängen des 14. Jahrhundert geben Hinweis darauf, dass die Untere Vorstadt bäuerlich ausgerichtet war, und dass das Untertorquartier am Ende des 13. Jahrhunderts zuerst mit einem Graben und dann später mit einer Stadtmauer befestigt worden war. Nach dem Bau des Untertors 1340 lag der Untere Bogen nun ebenfalls innerhalb der Stadtmauern und wurde in seiner Funktion als Stadttor durch das Untertor ersetzt.  Neben dem Untertor, dem Obertor, dem Steigtor und dem Schmidttor entstanden bald weitere Tore und Türme. An der Südseite der Stadt wurde das Holdertor erbaut. Gegenüber auf der Nordseite entstand das Nägelitor. Weitere Zugänge zur Stadt waren das Königstor in der Nähe des Königshofs. Das Hexentürmli war an der Einmündung der Tösstalstrasse. Und an der Südfront gab es in der Mitte zwischen Holder- und Steigtor ein Wehrturm.

Die Stadtbefestigung verliert an Bedeutung

Der Abbruch der mittelalterlichen Befestigungsanlage begann bereits 1579 mit dem Abriss des Königsturms, nachdem die militärische Bedeutung der Anlage mit der Zeit immer mehr abnahm. In der Folge schüttete die Stadt zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert die nutzlos gewordenen Gräben rund um die Stadt schrittweise zu. Die Tore und Türme blieben jedoch noch bis ins 19. Jahrhundert bestehen. An den Toren wurden weiterhin Zölle eingezogen und nachts und während dem Gottesdienst die Tore geschlossen.

Liberale Kräfte fordern den Abriss der Tore

Im Zuge der Gleichstellung von Stadt und Land, eine Folge der Französischen Revolution und der napoleonischen Besetzung der Stadt, forderten aufstrebende liberale Kräfte der Stadt, insbesondere liberale Gewerbetreibende und Industrielle, den Abbruch der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Die Stadttore, die nach Einführung der Handels- und Gewebefreiheit 1830 und der Aufhebung der Binnenzölle 1835 ihre Aufgabe als Zollstellen verloren hatten, hatten in ihren Augen keinen Nutzen mehr. Vielmehr stellen sie ihrer Meinung nach ein Hemmnis für  Handel und Industrie dar. Der Verkehr musste ihrer Ansicht nach ungehindert in und aus der Stadt fliessen können. Auch waren sie der Meinung, dass der Unterhalt der alten Stadtbefestigung viel zu teuer sei und sie den Zugang zu den Häusern gerade auch im Brandfall erschweren würde. Bald schon forderten sie lautstark die Aufhebung der Gräben, Mauern und Tore. Der Stadtrat, der das Stadtbild erhalten wollte, lehnte das Vorhaben aber ab. Angetrieben vom liberalen Gedankengut der Julirevolution stimmte die Winterthurer Bürgergemeinde am 19. Mai 1835 dem Begehren jedoch zu. Alle Gräben sollen aufgeschüttet und die Tore abgerissen werden.


Benutzte und weiterführende Literatur

Dejung, Emanuel; Zürcher Richard, Hans Hoffmann: Die Stadt Winterthur und die Stadt Zürich. Kunstgeschichtliche Zusammenfassung. Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, Band 6, Basel,1952.
Isler, A.: Die Festung Winterthur und ihre Schleifung. 254. Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur, Winterthur, 1920.
Moos von, Paul: Mein Winterthur: heimatkundliches Lesebüchlein. Winterthur, 1950. 
Sulzer, Peter: Tore, Türme, Bögen im alten Winterthur. Verschwundene Zeugen der Vergangenheit. Mit einer Einleitung und Bildlegenden von Peter Sulzer. Gemsberg, Winterthur, 1985.
Windler, Renata: «Vitudurum» und «Winterture» - von den Anfängen bis zur Stadt um 1300. In: Winterthurer Stadtgeschichte. Von den Anfängen bis 1850. Zwischen Rot und Blau – Habsburg – Zürich oder Autonomie. Bd. 1. Chronos, 2014.

Bibliografie


Autor/In:
Karin Briner
Unredigierte Version
Letzte
Bearbeitung:
05.04.2023