Kunst und Kultur

Theodor Kirchner

Komponist, 1823–1903

Theodor Fürchtegott Kirchner war ein deutscher Komponist, Dirigent, Organist und Pianist. Kirchner wurde 1843 auf Empfehlung von Felix Mendelssohn-Bartholdy Organist an der Stadtkirche Winterthur. 1862 zog Kirchner nach Zürich, dirigierte von 1864 bis 1865 die Abonnementskonzerte der Allgemeinen Musik-Gesellschaft und wirkte als Organist zu St. Peter. 1872 verliess er die Schweiz.


Geburtsort
Neukirchen/Erzgeb. D

Geboren
10.12.1823

Gestorben
18.09.1903


1861: Theodor Kirchner 1823-1903, Organist, Komponist Foto: winbib (Signatur 172088)
Theodor Kirchner kam am 10. Dezember 1823 in Neukirchen (bei Chemnitz-D) zur Welt. Er erhielt frühzeitig Musikunterricht, insbesondere im Orgelspiel, sowie musiktheoretischen Unterricht. Im Herbst 1837 reiste sein Vater mit ihm nach Leipzig und stellte ihn Robert Schumann vor, der in seinem Tagebuch bemerkte, der 14jährige könne noch nicht viel. Ein Jahr später wurde Theodor Kirchner Felix Mendelssohn Bartholdy und Thomaskantor Weinlig vorgestellt. Mendelssohn forderte den Jungen auf, in Leipzig zu bleiben. Er nahm Unterricht beim Organisten der Nikolaikirche Carl Ferdinand Becker. Mit Schumann kam Kirchner nun viel zusammen, und im Juni 1838 notierte dieser, Kirchner sei „ein bedeutendes Talent und ein guter Kopf“. Nach der Gründung des Leipziger Konservatoriums unter Mendelssohns Leitung, trug sich Kirchner als erster Schüler ein und erhielt eine königliche Freistelle. Von 1835 bis 1840 war er Orgel- und Klavierstudent in Chemnitz und Leipzig. Auf Empfehlung von Felix Mendelssohn wurde Kirchner 1842 als Organist an die Stadtkirche Winterthur berufen, wo er zudem als Lehrer und bedeutender Organisator des Musiklebens wirkte. 1851 und 1853 besuchte er Clara und Robert Schumann in Düsseldorf. Schumann besprach Kirchners 10 Klavierstücke op. 2 sehr positiv. Nach Schumanns Tod erhielt Kirchner die Verbindung zu Clara locker aufrecht; diese besuchte ihn in der Schweiz und lernte ihn näher kennen. 1862 übersiedelte er nach Zürich. Kirchner schwärmte für Schumanns Musik – und für Clara. Als er im Sommer 1863 in ihrem Haus in Lichtenthal bei Baden-Baden für einige Wochen zu Gast war, konnte er sie dazu bewegen, ihre Rolle als mütterliche Freundin aufzugeben und in ihm nicht nur den Freund, sondern auch den Geliebten zu sehen.
Clara Schumann versuchte, Kirchner von seiner Spielleidenschaft abzubringen. Sie bezahlte seine Schulden und gab ihm Geld, das er trotz gegenteiliger Versprechen dann doch wieder verspielte. Kirchner zählte zu den wenigen Personen, denen Clara Schumann das „Du“ gewährte. Nachdem Clara einsehen musste, dass sie Kirchner nicht ändern und keinen wirklichen Einfluss auf ihn nehmen konnte, war für sie ein vertrautes Zusammensein mit ihm nicht mehr möglich. Im Juli 1864 schrieb sie ihm daher einen Brief, der die Distanz wiederherstellte und zum „Sie“ zurückkehrte. Danach scheint sie ihn nicht wiedergesehen zu haben. Sein Verhalten hatte sie zu tief enttäuscht, und ein Jahr später bezeichnete sie Kirchner als „großen Lumpen“. Bis 1865 leitete Kirchner die Abonnementskonzerte der Allgemeinen Musikgesellschaft. 1868 heiratete er in Zürich die Sängerin Maria Schmidt. Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor: Emmy (1870-1942), Blanka (* 1871, starb drei Monate nach der Geburt an Cholera) und Theodor (1872-1927). Ab 1871 wirkte er als Organist an der Kirche St. Peter. Im Jahre 1872 verließ er die Schweiz und ging zurück nach Deutschland. Stationen seines Wirkens sind ab 1872 Meiningen, wo er als Musiklehrer wirkte, sowie ein Jahr später Würzburg; hier hatte er die Stellung des Direktors der dortigen Musikschule inne. Ab 1876 war er einige Jahre als Musiklehrer in Leipzig tätig und wechselte im Jahre 1883 an das Dresdner Konservatorium.
Der zum engeren Freundeskreis von Johannes Brahms zählende Kirchner komponierte v.a. Klavier- und Kammermusik. Aufgrund seiner mehr als tausend Klavierstücke wurde er "Meister der Miniatur" genannt. Im Jahre 1890 ging Kirchner nach Hamburg, wo er fast erblindet und durch mehrere Schlaganfälle gelähmt 1903 starb er. Kirchner war ein äusserst produktiver Komponist, wobei der Schwerpunkt seines Schaffens vor allem auf Klavierwerken liegt. Seine finanziellen Verhältnisse waren zeitlebens sehr schlecht. Im Jahre 1884 wurde daher für ihn eine Spendenaktion initiiert, an der sich unter anderem Edvard Grieg, Hans von Bülov sowie Carl Reinecke beteiligten. Der Erlös wurde angelegt und der Zins wurde Kirchner zum Lebensunterhalt zur Verfügung gestellt. Sein Freund Johannes Brahms unterstützte ihn jedoch, wie schon in den Jahren zuvor, weiterhin finanziell. Kirchners Schaffen ist sehr vielfältig und komplex. Als Komponist verzichtete er zeitlebens auf große Formtypen und gab sein Bestes in ausdrucksvollen Charakterstücken. Allein das Klavierwerk umfasst über 1‘000 Kompositionen. Daneben bearbeitete er eine Vielzahl der Werke Schumanns und Brahms' für das Klavier. Des Weiteren schrieb er Arrangements zu Stücken von Ludwig van Beethoven, Edvard Grieg, Joseph Haydn, Franz Schubert und vielen anderen. Er gilt als der Hauptvertreter der Klavierminiaturistik der Romantik. Im altstadtnahen Quartier am Brühlberg ist in Winterthur eine Strasse nach Theodor Kirchner benannt.

Bibliografie

    Kirchner, Theodor, 1832-1903, Komponist und Organist

    • Einträge ab 2011

      Widmer, Urs: Theodor Kirchner. In: Dokumentation Urs Widmer, Personen A-Z 2 S.

      Einträge 1991–2010

      In: Winterthurer Kammermusikwochen Programm 1994, S. 19-21 von Harry Joelson-Strohbach, 1Abb.
      In: Chris Walton. Richard Wagners Zürcher Jahre 1849-1958, ein biographischer Index. 184. Njbl. der Allg. Musikges. Zürich auf das Jahr 2000.
      Theodor Kirchner bei Mathilde Wesendonck, von Harry Joelson-Strohbach, m.Abb., in: Minne, Muse und Mäzen, Otto und Mathilde Wesendonck und ihr Zürcher Künstlerzirkel. Hrsg. Axel Langer und Chris Walton. Zürich, 2002.
      Ein Brahms-Freund: Wolfgang Sandberger und Stefan Weymar. Johannes Brahms, Zeichen, Bilder, Phantasien. Lübeck : Brahms-Institut an der Musikhochschule Lübeck, cop. 2003. S. 56 ff. m.Abb.


Autor/In:
Heinz Bächinger
Unredigierte Version
Letzte
Bearbeitung:
16.02.2022