Politik

Ferdinand Aeschbacher

Gewerkschafter, Politiker (SP), 1893–1950

Ferdinand Aeschbachers stieg vom Arbeiterkind zum Gewerkschaftssekretär und zum Nationalrat auf. Er hatte einen entscheidenden Anteil am sogenannten Friedensabkommen von 1937. Aufgrund eines persönlichen Fehlverhaltens folgte jedoch sein jäher Absturz zurück in die Armut.


Geburtsort
Bern

Geboren
11.11.1893

Gestorben
07.01.1950


Kindheit und Jugend

Ferdinand Aeschbacher wurde am 11. November 1893 in Bern geboren. Als Aeschbacher zwei Jahre alt war, verstarb sein Vater. Seine Mutter heiratete nach wenigen Jahren erneut. Die fünfköpfige Familie wohnte in der Siedlung der Spinnerei Felsenau, wo seine Mutter und sein Stiefvater arbeiteten. So wuchs Ferdinand Aeschbacher bis zu seinem 18. Lebensjahr in ärmlichen Verhältnissen auf und wurde schon früh mit den Arbeits- und Lebensbedingungen sowie den wachsenden sozialen Spannungen in den Fabriken konfrontiert. So erlebte er auch mit, wie Margarethe Fass-Hardegger um 1903 die Textilarbeiter und -arbeiterinnen der Spinnerei Felsenau gewerkschaftlich organisierte und in eine öffentliche Auseinandersetzung mit den Fabrikherren trat.

1911 zog Ferdinand Aeschbacher nach Genf und erlernte dort das Elektroschweissen. 1914 zog er nach Baar im Kanton Zug, wo er Ida Zürcher von Menzingen kennen lernte und sie 1915 auch heiratete. Aeschbacher fand eine Anstellung in der Metallwarenfabrik in Zug. Der Wechsel von der stark weiblich geprägten Textil- in die Metallindustrie bedeutete für Aeschbacher einen sozialen Aufstieg innerhalb der Arbeiterschicht. In Zug begann auch Aeschbachers Karriere als Gewerkschaftsfunktionär.

Beruflicher Werdegang

In Zug trat Ferdinand Aeschbacher dem örtlichen Sozialdemokratischen Parteiverein bei und wurde Präsident der Arbeiterkommission. Von 1923 bis 1930 sass er als Vertreter der SP im Zuger Kantonsrat und 1927 bis 1930 gleichzeitig auch im Gemeinderat. Ebenfalls trat er 1918 in den Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterverband (SMUV) ein. Als 1930 die Stelle des Sektionspräsidenten der SMUV in Winterthur ausgeschrieben wurde, bewarb sich Ferdinand Aeschbacher und setzte sich gegen 29 Mitbewerber durch. Er bezog mit seiner Familie eine Wohnung an der Eichliackerstrasse 29 in Töss. Später zog die Familie an die Sommerhaldenstrasse 24 in Veltheim.

In Winterthur stand Ferdinand Aeschbacher ein schwieriges Mandat bevor, denn in der Metallindustrie brodelte es zu jener Zeit gewaltig und die Arbeitslosigkeit war hoch. Über 4000 Menschen verloren in Winterthur zwischen 1929 und 1934 in der Industrie ihren Arbeitsplatz. Aeschbacher hingegen konnte seinen politischen Aufstieg fortsetzen. 1931 wurde er in den Grossen Gemeinderat und 1932 in den Kantonsrat gewählt. Aeschbacher etablierte sich zudem als wichtiger Sprecher der Arbeiterschaft.

Arbeiterfrieden in Winterthur

1936 kam es zu einer Abwertung des Frankens. So verteuerten sich die lebensnotwendigen Verbrauchsgüter, was die Winterthurer Metallarbeiter dazu brachte, entsprechende Lohnanpassungen als Gegenmassnahme zu fordern. Auch in anderen Fabriken kam es zu ähnlichen Spannungen. Der grösste Winterthurer Arbeitgeber war damals die Firma Sulzer. Der Betrieb hatte sich durch Massnahmen wie Kurzarbeit, Entlassungen und empfindliche Lohnkürzungen durch die Krise gebracht und verbuchte nun dank der wirtschaftlichen Entspannung wieder Gewinne. Dennoch war die Firma nicht bereit, auf die Lohnforderungen einzugehen. Nachdem die Dreher der Lokomotivfabrik der SLM ihre Anliegen erfolgreich mittels einem Streik durchgesetzt hatten, beschloss auch die Belegschaft der Sulzer die Streikparole. Der Einsatz eines Schiedsgerichtes als Vermittlungsmöglichkeit wurde hingegen abgelehnt.

Die Ereignisse in Winterthur trieben die gesamte Metallindustrie in der Schweiz um, da die Eulachstadt nach Zürich damals die zweitgrösste Industriestadt war. In letzter Minute gelang es den Gewerkschaftsvertretern, die auf der Schützenwiese versammelte Belegschaft doch noch vom Einsatz eines Schiedsgerichtes zu überzeugen. Wichtige Führsprecher waren neben Ferdinand Aeschbacher, Robert Sulzer und Konrad Ilg. Am 19. Juli 1937 kam es zur Unterzeichnung des sogenannten Friedensabkommens. Dieses wurde später in der Rezeptionsgeschichte zu einem Mythos hochstilisiert. Tatsächlich blieb das Abkommen umstritten und wurde in der Folge auch in seiner Bedeutung überschätzt. Als Rahmenabkommen regelte es das Verfahren im Konfliktfall und schrieb eine strikte Friedenspflicht der Partner vor. Die konkrete Ausgestaltung der Beziehung zwischen den Geschäftsleitungen und Arbeiterkommissionen innerhalb der Unternehmen blieb allerdings den einzelnen Betrieben vorbehalten. Normative und somit allgemein verbindliche Abmachungen wurden erst 1974 eingebracht, weshalb bei der Version von 1937 nicht von einem Gesamtarbeitsvertrag gesprochen werden kann.

Ferdinand Aeschbacher als tragische Figur

1939 wurde Ferdinand Aeschbacher in den Nationalrat gewählt. Trotz seines Erfolges schien Aeschbacher jedoch über seine Verhältnisse gelebt zu haben, was ihm zum Verhängnis wurde. Nur ein Jahr später erfolgte seine Entlassung als Sekretär der SMUW, weil er sich beim Kassier der Sektion unter falschen Angaben Geld geliehen hatte, das er für private Zwecke einsetzte. Gleichzeitig wurde ihm vorgeworfen, dass er zu viele Ämter bekleidete und er deshalb keine Zeit mehr für die Verbandsarbeit habe. Damit verlor der erst 46-Jährige seine Arbeit. Sein Fehlverhalten wurde in den Medien ausgeschlachtet, und so sah  er sich gezwungen, von allen seinen politischen Ämtern zurückzutreten, und auch seine Ehe ging in die Brüche. Aeschbacher arbeitete in der Folge bis zu seinem Tod 1950 als Elektroschweisser.


Benutzte und weiterführende Literatur

Knoepfli, Adrian: Winterthur und das Friedensabkommen, in: Winterthurer Stadtgeschichte Band 2, Zürich 2014, S. 211–214.
Knoepfli, Adrian: Ferdinand Aeschbacher und das Friedensabkommen, in: Winterthurer Jahrbuch 2012, S. 150–155.
Knoepfli, Adrian: Heisse Tage in WInterthur. Hans Sulzer und Ferdinand Aeschbacher, in: Historische Begegnungen. Biografische Essays zur Schweizer Geschichte, Baden 2014, S. 205–230.

Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
02.12.2022