Kunst und Kultur

Franz Böni

Schriftsteller, 1952–2023

Der Schriftsteller Franz Böni wurde 1952 in Winterthur geboren. 1979 gelang ihm der Durchbruch mit dem Roman «Ein Wanderer im Alpenregen», der im renommierten deutschen Suhrkamp Verlag erschien. In den 1980er Jahren wurde Böni im In- und Ausland als neue Stimme gefeiert. Er lebte unter anderem in Zürich, Zug, Turbenthal und immer wieder in Winterthur, wo seine schriftstellerische Laufbahn ihren Anfang nahm.


Geboren
17.6.1952

Gestorben
6.3.2023


Franz Böni mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder, 1950er Jahre Foto: winbib, Urheberschaft unbekannt (Signatur FotDig_2023-0259)

Kindheit-, Jugend- und Ausbildungszeit

Mario Franz Böni wurde am 17. Juni 1952 in Winterthur geboren. Seine Kindheit- und Jugendzeit verbrachte er mit seinen Eltern und seinen beiden Geschwistern in Turbenthal. Sein Vater war Maschinensetzer und Journalist beim «Tösstaler». Seine Mutter arbeitete bis zur Geburt der drei Kinder in der Spinnerei Stahel in Rämismühle, wo das Ehepaar zuerst lebte. Die Primar- und Sekundarschule besuchte Böni in Turbenthal, wo er nach der Schulzeit während ein paar Monaten in der Spinnerei Boller arbeitete. 1967 begann er eine kaufmännische Lehre bei der Gebrüder Sulzer AG in Winterthur. Ein Jahr später zog er 16-jährig alleine nach Winterthur in ein kleines Mansarden Zimmer am Untertor 34, wo er mit Schreiben begann. 

In dieser Zeit entstanden seine ersten 30 Gedichte und der Roman «Pollux», der aber nie veröffentlicht wurde. 1969 reiste er nach Rom, wo er für die Firma Max Bolliger tätig war. Nach seiner Rückkehr lebte er  in Zürich in der Jugendherberge und begann für Siemens am Albisriederplatz zu arbeiten. Im Alter von 18 Jahren wechselte er in die Wertschriftenabteilung der Schweizerischen Kreditanstalt am Paradeplatz. In seiner Freizeit machte er Reisen nach Amsterdam und München. Nach seiner Rückkehr kündigte er seine Stelle mit dem Ziel fortan ein unabhängiges Leben als Schriftsteller zu führen. Um etwas Geld zu verdienen, ging er neben dem Schreiben verschiedenen Gelegenheitsjobs nach. Unter anderem arbeitete er beim Schweizer Fernsehen, im Kantonsspital Zürich und beim Schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverband. 1970 begann er sich mit den Schweizern Schriftstellern Ludwig Hohl, Paul Nizon, Clemens Mettier und Gerhard Meier zu beschäftigen und er reiste nach Israel und Griechenland. 1973 zog er nach Zug um und fing an Filmbesprechungen zu schreiben. Ein Jahr später eröffnete er in der Zuger Altstadt ein Schallplattengeschäft.  

Ein gefeierter Autor

Franz Böni gehörte zu einer Gruppe aufstrebender jungen Schweizer Autorinnen und Autoren, die in den 1970er Jahre bekannt und gefeiert wurden. 1976 erschien seine erste Erzählung in der Suhrkamp Literatur-Zeitung. 1978 folgte eine weitere im Band «Literatur aus der Schweiz». 1979 verlegte der Suhrkamp Verlag Franz Bönis ersten Roman «Ein Wanderer im Alpenregen». Mit dem ihm dann auch gleich der Durchbruch gelang . Die Buchvernissage organisierte der renommierte  Verlag im Le Corbusier-Haus in Zürich und unter den Gästen befanden sich prominente Namen wie die Schriftsteller Max Frisch oder Peter Bichsel. Nach «Ein Wanderer im Alpenregen» erschien im gleichen Jahr sein zweiter Roman «Schlatt», der von einem einfachen Arbeiter handelt. 1980 folgte den Romanen die Erzählbände: «Der Knochensammler» und «Hospiz». 


1980 zog Böni in ein Haus in der Toskana und kehrte im selben Jahr wieder zurück in die Schweiz. Nachdem er den Gastpreis des Kantons Bern und den C.-F.-Meyer-Preis für «Schlatt»  erhalten hatte, plagten ihn erstmals keine Geldsorgen. 1981 beendete er sein Werk «Die Wanderarbeiter», wofür er 1982 den «Förderpreis des Bremer Literaturpreis» erhielt. Seinen literarischen Höhepunkt erreichte er 1983 mit dem schmalen Prosaband «Die Alpen». Die Schweizer Literaturszene feierte Franz Böni für seine düster-pessimistischen schon fast apokalyptisch anmutenden Romane und die Kritikerinnen und Kritiker lobten ihn für seine unverwechselbare Stimme und sprachen von einem ganz neuen Ton. Bald schon reichte sein Erfolg weit über die Schweizer Grenze hinaus. Unter anderem hielt Böni Lesungen in München, Frankfurt oder Wien, wo er die Hörer- bzw. die Leserschaft mit seiner einfachen, ungehobelten Sprache beeindruckte. 1984 reiste Böni nach Rom ins Instituto Svizzero, wo er mit der Arbeit am Roman «Die Residenz» zu arbeiten begann. 1986 reiste er, 34-jährig, erstmals in die USA, wo er während zwei Monaten 23 Staaten durchquerte und das Buch «Das Zentrum der Welt» schrieb. Ein Jahr später, nachdem er erneut die USA bereist hatte, begann er an seinem Roman «Amerika» zu arbeiten. 1989 erschien mit "Am Ende aller Tage" sein letztes Buch bei Suhkamp. 

Die Verlagslandschaft ändert sich

Ab Mitte der 1980er Jahren wurde es zunehmend ruhiger um Franz Böni. Die Verlagslandschaft im deutschsprachigen Raum hatte sich verändert und für Böni, wurde es immer schwieriger einen Verlag für seine Bücher zu finden. 1987, Böni lebte wieder im Züricher Seefeld, bot er seinen eben vollendeten Roman «Die Residenz» dem Suhrkamp Verlag an. Nachdem dieser aber eine Veröffentlichung mit der Begründung das Buch passe nicht ins Verlagsprogramm abgelehnt hatte, verlangte Böni das Manuskript zurück und bot es dem Ammann Verlag in Zürich an, der es 1988 in sein Programm aufnahm. Auf die Veröffentlichung folgte seine letzte Lesung vor Publikum in Zürich. Böni reiste daraufhin nach Dubai und in den Oman und zog nach seiner Rückkehr zuerst nach Wien und dann wieder zurück ins Zürcher Seefeld. Nachdem der Suhrkamp Verlag 1989 die Zusammenarbeit mit Franz Böni beendet hatte, versuchte Böni seine Bücher bei verschiedenen kleineren Verlagen wie dem Zürcher  Ammann-Verlag, dem Berner Verlag «Gute Schriften» oder der Edition Hans Erpf in Bern, wo 1991 die Novelle «Der Hausierer» und 1992 «Amerika» erschien, unterzubringen. 1995 übersiedelte Franz Böni erneut nach Winterthur um bald darauf nochmals in die USA zu fliegen um dort für einen neuen Roman zu recherchieren. 1997 zog Franz Böni von Winterthur wieder ins Zürcher Seefeld, wo er an seinem Roman «Geisterstadt» arbeitete. 2001 erschien der «Puls des Lebens» beim Literaturverlag Fouqué. 

Leben am Rande der Welt

Viele von Franz Bönis Geschichten spielen im Zürcher Oberland. Seine Helden sind Aussenseiter und Randfiguren. Sie verdienen ihr tägliches Brot als Hausierer, Taglöhner, Knochensammler oder aber auch als Kleinbauern, Fabrikarbeiter oder Beamte immer auf der Suche nach ein bisschen Glück und Geborgenheit. Unangepasst und verloren irren sie umher und finden keinen Platz in der Gesellschaft.

Wie seine Romanhelden lebte auch der Schriftsteller Franz Böni, der auf seine Aussenwelt oft scheu wirkte, zurückgezogen. Er, der sich einzig der Literatur verpflichtet sah, lehnte gesellschaftliche Konventionen ab. Dabei wollte er mit seiner Literatur keinesfalls einfach nur unterhalten, sondern vor allem auch aufrütteln. Schon früh entschied sich Böni seine Zeit vollständig dem Schreiben zu widmen und keiner geregelten Erwerbsarbeit nachzugehen. Er wollte unabhängig und keinem Arbeitgeber verpflichtet sein. Insbesondere lehnte er die «Lehrer-Literatur» und die «Sonntagsschreiber» ab, die einem "Brotberuf" nachgingen und daneben schreiben würden. Er sah das Schreiben als eine existentielle Dringlichkeit an. Zu seinen literarischen Vorbildern gehörten Robert Walser und Ludwig Hohl, die um ihre Unabhängigkeit zu bewahren grosse Entbehrungen hin genommen hatten. 

Nachdem er einige Jahre, um Geld zu verdienen, weiterhin schriftstellerische Auftragsarbeiten erledigt hatte, gab er diese anfangs der 2000er Jahre ganz auf. Dies führte dazu, dass er zeitweises komplett mittel- und obdachlos war. Er lebte in  Abbruchhäusern und bleib dort jeweils solange bis die Häuser von der Polizei geräumt wurden. Dann zog er mit seiner Matratze weiter. Gegenüber Journalisten entwickelte er im Laufe der Zeit eine Abwehrhaltung und auch öffentliche Auftritte nahm er, der während seiner erfolgreichen Zeit als Schriftsteller vor vollen Rängen Lesungen in Zürich, Frankfurt oder Wien abgehalten hatte, keine mehr war. Nachdem er in den 1990er Jahren fast ganz von der Bildfläche verschwunden war, verkündete er um die Jahrtausendwende seinen Rückzug ins Privatleben. 

Rückzug ins Privatleben

Nachdem er sich vollständig ins Privatleben zurückgezogen hatte, begann Franz Böni 50-jährig mit der Sichtung seines "Nachlasses", worin er seine zukünftige Hauptbeschäftigung sah. Nach dem Tod seiner Mutter zog er mit seiner Lebenspartnerin 2004 ins Elternhaus nach Turbenthal. Dort entstand sein Roman «Rio Grande» und der Sammelband «Murphys Gesetz». Beide Werke stellte er aus Texten aus seinem Nachlass zusammen. 2009 zog er erneut nach Winterthur, wo er mit seiner Lebenspartnerin im Mattenbachquartier wohnte. Von dort aus unternahm er ausgedehnte Wanderungen und widmete sich neben dem Lesen literarischer Werke seiner Leidenschaft für Filme. Insbesondere hatten es ihm die amerikanischen Filmen aus den 1960er Jahren angetan.

Anlässlich seines siebzigsten Geburtstags erschien 2022 bei der Edition Signathur mit «Nightcap Motel» sein letztes Buch. Im März 2023 starb Franz Böni überraschend im Alter von 70 Jahren nach einem kurzen Unwohlsein in seinem Haus in Winterthur. Franz Böni hinterliess 30 Bücher darunter Gedichte, Erzählungen und Romane. 

Auszeichnungen und Preise

Jahr
Auszeichnung
1979
Werkpreis des Kantons Zürich
1979
Gastpreis des Kantons Bern
1980
Stipendium des Literarischen Colloquium Berlin
1981
Anerkennungspreis der Stadt Zürich
1981
Bremer Förderpreis
1982
Förderpreis zum Literaturpreis der Stadt Bremen
1984
Buchpreis des Kantons Zürich
1987
Werkjahr der Stiftung Pro Helvetia
1988
Preis der Dienenmannstiftung
1988
Buchpreis Luzern
1989
Gesamtwerkpreis der Schweizerischen Schillerstiftung
1997
Buchpreis Stadt Zürich
2002
Buchpreis des Kantons Zürich
2003
Werkpreis der Pro Helvetia

Nachlass

Mario Franz Bönis Nachlass und Werk befindet sich im Schweizer Literaturarchiv und im Deutschen Literaturarchiv Marbach.


Benutzte und weiterführende Literatur

Bucheli, Roman: Ein unerfülltes Versprechen. Der einstige Kultautor Franz Böni ist mit 70 Jahren gestorben. In: Neue Zürcher Zeitung, 13.3.2023.
Klaue, Magnus: Zu Lebzeiten verschwunden. In: Schweizer Monat, September 2022.
Kobler, Seraina: «Mit Sprache spielen, wie niemand zuvor». In: Der Landbote, 15. Dezember 2008.
Signer, David: «Seit fünf Jahren ordne ich den Nachlass.» In: Weltwoche, 20. September 2007.  
Eichmann Leutenegger, Beatrice: Am Rand einer Welt. In: Der Bund, 22. Juli 2004. 
Steiger, Bruno: Doppelter Jakob, halber Jürg. In: Du, 1. Oktober 2002.
Fredi, Lerch: Franz Böni, Realist. In: WoZ, Nr. 17 (1988).

Bibliografie

    Böni, Mario Franz, 1952-2023, Schriftsteller

    • Einträge 1991–2010

      In: Arlette Kosch. Literarisches Zürich, 150 Autoren, Wohnorte, Wirken und Werke. Zürich, 2002, S. 31.
      Landbote 2008/293 von Seraina Kobler, 1Abb.


Autor/In:
Karin Briner
Letzte
Bearbeitung:
23.10.2023