Sport

Georg Miez

Kunstturner, 1904–1999

Georg Miez (1904–1999) war einer der erfolgreichsten Schweizer Kunstturner. Zwischen 1924 und 1936 errang er acht olympische Medaillen (viermal Gold, dreimal Silber und einmal Bronze) sowie 1931 und 1934 zwei Weltmeistertitel im Bodenturnen. 1929 zog er von Winterthur ins Tessin, später gründete er in Lugano eine Privatsportschule.


Geburtsort
Winterthur

Geboren
02.10.1904

Gestorben
17.04.1999


Georg Miez an der Olympiade in Los Angeles 1932
Foto: winbib (Signatur 170441)

Kindheit und Jugendjahre

Am 2. Oktober 1904 kam Georg Miez an der Schaffhauserstrasse in Winterthur zur Welt. Er war der dritte Sohn des Arthur und der Marie Luise (geb. Müller). Als er zwei Jahre alt war, zog die Familie ins Eichliackerquartier in Winterthur Töss. Georg Miez wuchs in bescheidenen, aber glücklichen Verhältnissen auf. Seine Kindheit war früh vom Turnen geprägt. Seine Eltern förderten das turnerische Können ihrer Söhne, soweit es ihre finanziellen Mittel zuliessen. Seine Traumberufe waren Turnlehrer und Offizier. Da sich seine Eltern ein Studium nicht leisten konnten, trat er in die Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) ein und lernte Mechaniker.

Spitzensportler und mehrfacher Olympiasieger 1924–1936

Die Arbeit in der Fabrik brachte keine Erfüllung. Turnen wurde zur Hauptbeschäftigung. Als 18-jähriger gewann Georg Miez sein erstes Turnfest, das Interkantonale Turnfest in Kreuzlingen. Mit hartem Training schaffte er anschliessend die Aufnahme in die Schweizer Nationalmannschaft und nahm 1924 an den Olympischen Sommerspielen in Paris teil, wo die Schweizer Turnmannschaft als drittbeste Nation eine Bronzemedaille gewann. Bei den nächsten Olympischen Spielen 1928 in Amsterdam gewann Miez seine ersten Einzelmedaillen: Gold am Reck und für den Mehrkampf sowie Silber am Pferdpauschen. Dazu kam nochmals Gold für den Mannschaftssieg.

1932 fand die Olympiade in Los Angeles statt. Da die Schweiz aufgrund der Wirtschaftskrise offiziell nicht teilnahm, reiste Miez auf eigene Rechnung nach Amerika. Beim Wettkampf wurde er jedoch laut seinen eigenen Angaben durch ein ungarisches Jurymitglied benachteiligt und er gewann «nur» Silber in seiner Lieblingsdisziplin Bodenturnen. Als Sieger ging der Ungare Istvàn Pelle aus dem Wettkampf hervor. Als Miez auch im 12-Kampf benachteiligt wurde, brach er den Wettkampf ab. Zwei Jahre später nutzte Miez seine Chance zur Revanche. Bei der Weltmeisterschaft 1934 in Budapest wurde Miez Weltmeister im Bodenturnen, während sein Rivale Pelle den Wettkampf auf dem 17. Rang beendete. Für Miez war die Welt wieder in Ordnung.

Höhepunkt seiner sportlichen Karriere war der Olympiasieg bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936. Obwohl Miez wie viele der Athleten hin und her gerissen war zwischen der Ablehnung des Nazi-Regimes und seinen sportlichen Ambitionen, nahm er an den Spielen teil, lobte sogar die gute Organisation der Deutschen. Ausserdem wollte er unbedingt seine verpasste Goldmedaille im Bodenturnen von 1932 wiedergutmachen. Obwohl er kurz vor seiner Übung von mehreren deutschen Journalisten belagert und abgelenkt wurde, turnte er sich auf den ersten Platz. Dazu kam der zweite Platz der Schweizer Turnmannschaft beim Mannschaftswettkampf. Als Auszeichnung erhielt Georg Miez neben der Goldmedaille auch eine Deutsche Eiche, die sogenannte Olympia-Eiche, die er nach Winterthur brachte und die heute noch auf dem Sportplatz Deutweg steht.

Kurz nach der Siegerehrung gab Georg Miez seinen Rücktritt aus dem Spitzensport bekannt.

Das Leben während und nach dem Spitzensport

Während seiner Karriere als Spitzensportler verfolgte Georg Miez weiterhin seine berufliche Laufbahn, die allerdings weniger geradlinig verlief. Er bewältigte die militärische Ausbildung zum Offizier und war im Auftrag des Turnverbands Nationaltrainer in Holland. Ferner arbeitete er bei der Sport- und Turnkleiderfirma Odo in Olten und entwarf dort eine Turnhose, damit die Schweizer an internationalen Anlässen auch zu den eleganteren Teilnehmern gehörten. Er liess das Kleidungsstück patentieren und half beim Vertrieb mit.

Seinen Kindheitstraum, Turnlehrer zu werden, gab er nie auf. Zweimal bewarb er sich bei der Turnlehrerschule in Basel, zweimal wurde er abgewiesen, auch nachdem er schon mehrfacher Olympiasieger war. Schliesslich fand er eine Stelle als Turnlehrer in Chiasso und übersiedelte 1929 ins Tessin, wo er viele neue Impulse im Jugendsportwesen setzte. Zwischenzeitlich stellte Miez seine Karriere etwas in den Hintergrund und gründete eine Familie. Am 14. Juli 1934 heiratete er Angela Pereda. Nur wenig später kam ihre gemeinsame Tochter Sonja zur Welt. 

Nach seinem Rücktritt als Kunstturner verliess er Chiasso und trat in den Dienst des Roten Kreuzes. Er kam zum Einsatz im Winterkrieg Russland-Finnland. Die Erinnerungen liessen ihn nie mehr los, obwohl er nie mit jemandem darüber sprach.

Als Nationaltrainer der Schweizer Kunstturner reüssierte er nicht, es hiess, er sei dazu zu wenig ausgebildet. Nach seiner Entlassung und enttäuscht von seinen Turnerfreunden ging er wieder ins Tessin. Er gründete in Lugano eine Privatsportschule. Die Schule war ein Erfolg. Bald folgten Filialen in Arosa und San Remo. Zudem verfasste er sportmedizinische Bücher. Er besass auch einen Tennisplatz, wo er Tennisstunden gab. Er war wieder erfolgreich und konnte gut davon leben. Bis ins hohe Alter blieb er sportlich. Er blieb im Tessin wohnhaft, wo er am 17. April 1999 im 95. Altersjahr verstarb.

Georg Miez nannte sich auch französisch Georges oder italienisch Giorgio Miez.

Schweizer Radio und Fernsehen (SRF): Gespräch mit ex-Spitzensportler Eugen Sigg und Giorgio Miez anlässlich des 75-Jahr-Jubiläums des Schweizerischen Olympisches Komitees, Sendung Karussell, 22.10.1987.

Benutzte und weiterführende Literatur

Hermann, Nicolas: Georg Miez. Rekord-Olympiasieger aus Winterthur. Leben und Erfolge eines Spitzensportlers der 1920er- und 30er-Jahre mit einem Exkurs zum politischen Umfeld der Olympischen Spiele 1936 in Berlin, Winterthur 2010.
Mettler, Jon: Der Rekordathlet, der Hitler den Gruss verweigerte, in: Der Landbote, 30.07.2016, S. 28.

Bibliografie

    Miez, Georges, 1904-1999, Olympiasieger im Kunstturnen

    • Einträge 1991–2010

      NZZ 1992/303 S.41 f.
      Landbote 1999/91 m.Abb. - NZZ 1999/92 S.55. - Tössemer 1999/3 von Hansruedi Gommer, 1Abb.
      Tössemer 2006/3 von M. Guler


Autor/In:
Angelina Immoos
Letzte
Bearbeitung:
23.09.2022