Kunst und Kultur

Gottfried Egg

Jassexperte, Jasspapst, 1921–2010

Der Winterthurer Gottfried «Göpf» Egg prägte die schweizerische Jassszene wie kein Zweiter. 1968 entwickelte er gemeinsam mit Kurt Felix die SRF-Erfolgssendung «Stöck-Wyss-Stich». Er verfasste ein Jassreglement, das bis heute als Standardwerk gilt und war Initiant der ersten Schweizerischen Jassmeisterschaften.


Geburtsort
Winterthur

Geboren
08.12.1921

Gestorben
04.02.2010


Göpf Egg machte sich in den 1960er-Jahren einen Namen als Jassexperte. Seine Auftritte als Schiedsrichter in der SRF-Jasssendung «Stöck, Wyss, Stich» brachten ihm bald die Spitznamen: «Jasskönig», «Jasspapst» oder «Jassprofessor» ein. 
Foto: winbib (Signatur FotLb_008403)

Persönlicher Werdegang

Gottfried «Göpf» Egg wurde 1921 als Sohn eines Winterthurer Textilkaumanns geboren. Er besuchte die Handelsschule wo er auch seine Leidenschaft fürs Jassen entdeckte: Er gründete mits seinen Mitstudierenden den «Tip-Top-Klub». Die Jugendlichen trafen sich jeweils unter dem Vorwand gemeinsam auf Prüfungen lernen zu wollen und liessen sich dafür auch noch von der Mutter des jeweiligen Gastgebers verköstigen. Statt gebüffelt wurde dann aber gejasst, was letztlich einen negativen Einfluss auf die Schulnoten entfaltete, weshalb seine Eltern der Jassleidenschaft ihres Sohnes bald argwöhnisch gegenüberstanden.   

Daneben spielte Göpf Egg Handball bei Pfadi Winterthur und übernahm dort die Position des Torhüters. Nach dem frühen Tod seines Vaters 1947 übernahm er die familieneigene Textilfirma und führte sie  bis zur Liquidation im Jahr 1960 weiter. Als Textilkaufmann reiste er geschäftlich durch die ganze Schweiz. Dabei fand der begeisterte Jasser auch immer wieder Zeit um seinem liebsten Hobby nachzugehen. 1951 heiratete er und brachte seiner Ehefrau das Jassen bei. Der Ehe entsprangen zwei Kinder. 

Entscheid zugunsten des Jassens

Gottfried Egg fühlte sich in den 1960er-Jahren gleichermassen dem Handball und auch dem Jassen verpflichten. Bis 1970 war er Mitglied im Handballausschuss. Doch allmählich kristallisierte sich heraus, dass er seine Energien ganz dem Jassen widmen möchte. Schon seit den 1950er-Jahren schrieb Gottfried Egg für die Jassspalte in unterschiedlichen Zeitungen, darunter auch dem «Neuen Winterthurer Tagblatt». Als dieses die Jassrubrik im Rahmen einer Neuausrichtung 1962 einstellte, verlagerte der Textilfachmann seine Tätigkeit in die Ostschweiz und schrieb für die «Thurgauer-Zeitung». Dieses Engagement erwies sich als Glücksfall, denn über die Zeitung kam er 1965 mit dem ehemaligen Frauenfelder Lehrer und nebenberuflichen Journalisten, Kurt Felix, ins Gespräch, der seit kurzem eine Festanstellung beim Schweizer Fernseher innehatte. Kurt Felix spielte damals mit dem Gedanken, das Jassen als beliebtester Nationalsport ins Schweizer Fernsehen zu bringen. Gottfried Egg half bei der Entwicklung des Sendeformats mit. 

Der patzende Jassexperte sorgt für Quotenrekord

Am 21. Januar 1968 wurde zum ersten Mal die von Kurt Felix moderierte Jasssendung «Stöck, Wyss, Stich» im Schweizer Fernsehen ausgestrahlt. Mit dabei war auf Göpf Egg als Schiedsrichter und Jassexperte. Das Prinzip der Sendung war so simpel wie verlockend: Die Fernsehkameras filmten nicht nur das Spiel auf dem Jassteppich, sondern guckten den Spielern auch in die Karten. Dadurch konnte das Publikum die einzelnen Spielzugentscheidungen mitverfolgen, die dann jeweils von Göpf Egg analysiert und kommentiert wurden. Am Schluss der Sendung gab es eine humoristische Jasseinlage in einer fiktiven Beiz, wo über bestimmte Jassprobleme gestritten wurde. Göpf Egg klärte dann die Situation als Experte auf.  Diese Rolle brachte ihm bald die Spitznamen «Jasskönig» und «Jasspapst» ein. 

Bei «Stöck, Wyss, Stich» handelte sich um eines der ersten interaktiven TV-Unterhaltungsformate des Schweizer Fernsehens. Denn das Publikum konnte via Telefonat an die Redaktion Fragen an die Runde stellen. Göpf Egg sorgte in einer der ersten Sendungen mit einem Patzer gleich selbst dafür, dass die Drähte heissliefen, denn er vergass zu weisen, was dem Publikum keineswegs entging. Die Telefonleitungen brachen in der Folge zusammen und auch die Zeitungen thematisierten den fehlbaren Jassexperten genüsslich. Für das TV-Format war diese breite Berichterstattung ein Segen, denn sie brachten ihr rekordhohe Einschaltquoten ein. Die Sendung blieb ein Erfolgsformat und ist auch im Jahr 2023 noch unter dem Titel «Samschtig-Jass» ein fester Bestandteil des SRF-Programms. 

Gemeinsam mit Hansjörg Bertschinger und anderen Mitstreitern, entwickelte Göpff Egg in seiner Stammbeiz im «Lindenhof» an der Trollstrasse in Winterthur, die Idee zu einem grossen nationalen Jassturnier.

Die erste schweizerische Jassmeisterschaft (SJM)

Regionale Jassturniere hatten in kleineren Orten schon länger Tradition, doch nun wagte Göpf Egg gemeinsam mit seinen Mitstreitern den Schritt auf die nationale Ebene. Dabei nutzte Egg seine Beziehungen zum Fernsehen um auch Werbung für die erste Schweizerische Jassmeisterschaft (SJM) zu machen, die am 16. April 1969 offiziell im Rahmen der Basler Mustermesse eröffnet wurde.

Um genügend Mitspielende zu finden, liess das OK einen entsprechenden Aufruf in rund 22'000 Gaststätten in der Schweiz auslegen – mit Erfolg. Es beteiligten sich über 31'000 Teilnehmende.  Die Vorrunden wurden schweizweit an über 500 Spielorten ausgetragen.  Die Spiele der Finalisten wurden dann live im Schweizer Fernsehen übertragen. 1975 war Göpf Egg auch an der von der Schweizer Woche erstmals lancierten Frauen-Jassmeisterschaft beteiligt. Die Siegerin nahm darauf in der TV-Jassrunde Platz. Unter seiner Ägide stieg der Frauenanteil in der Jasszene von fünf auf 40 Prozent. Nur mit einem Herzensprojekt scheiterte er: Es gelang ihm nicht, die Einführung des Jassens in den Lehrplan der Schulen durchzusetzen. 

Ein Jasspapst und seine Bibel

Göpf Egg war aber nicht nur ein begeisterter Spieler und Schiedsrichter, sondern er liebte es auch, sein Wissen zu vermitteln. 1969 verfasste er unter dem Titel «Puur, Näll, As» ein umfangreiches Jassreglement. Dieses liegt inzwischen bereits in der 10. Auflage vor und gilt als Standartwerk für den Schweizer Jasssport. 

Göpf Egg prägte damit das Jassen in der Schweiz nachhaltig. 1971 entschied er sich, aus seiner Leidenschaft sein Beruf zu machen und gab seine Arbeit als Vertreter auf. Damit wurde er zum ersten Jass-Profi der Schweiz, der vom Jassen auch leben konnte. 1984 organisierte die Stadt Bregenz gemeinsam mit der (SJM) die 1. Europäische Jassmeisterschaft, wo Göpf Egg die technische Leitung übernahm. Noch bis 1990 wirkte er als Schiedsrichter beim Schweizer Fernsehen. 

Touristikerinnen und Touristiker erkannten die Popularität und Anziehungskraft des freundlichen und geselligen «Jasspapstes» und arrangierten unzählige Jassreisen in der Schweiz. Irgendwann wurde der Rummel allerdings zu viel für Göpf Egg. Denn für sich selbst blieb kaum noch Zeit und so begann er sich in den 1990er-Jahren vermehrt aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Seine TV-Bekanntschaften pflegte er allerdings in privatem Rahmen weiter. So etablierten Göpf Egg, Kurt Felix, Hansjörg Bertschinger und Urs Kliby eine eigene Jassrunde, die sie «Fe Hu Gö Kli-Club» nannten. Bis ins hohe Alter blieb Göpf Egg dem Jassen treu und schrieb noch Jasskolumnen für verschiedene Lokalzeitungen, darunter auch dem «Landboten».


Benutzte und weiterführende Literatur:

köp. Göpf Egg – der ewige Schiedsrichter, in: Neue Zürcher Zeitung, 31.07.1992.
Pd. Europa-Meisterschaft, in: Bieler Tagblatt, 22. März 1984

Bibliografie

    Egg, Gottfried (Göpf), 1921-2010, Jass-Publizist

    • Einträge 1991–2010

      In: NZZ 1992/176 S.18 1Abb.
      Schw. Illustrierte 1996/17 m.Abb.
      Spots 1999/31 Interview, 1Abb.
      80: Landbote 2001/8.12.
      Landbote 2010/30 von Marc Leutenegger u.a., m.Abb., 38 1Abb. - NZZ am Sonntag 2010/14.2. von Willi Wottreng, 1Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
04.11.2023