Politik

Jonas Furrer

Anwalt, Bundesrat (FDP), 1805–1861

Jonas Furrer war der erste Winterthurer Bundesrat und der erste Bundespräsident. Er gilt als eine der prägendsten Persönlichkeiten des jungen Bundesstaates. Trotz seiner nationalen Verpflichtungen blieb der Magistrat mit Winterthur stets eng verbunden.


Sterbeort
Bad Ragaz

Geburtsort
Winterthur

Geboren
03.03.1805

Gestorben
25.07.1861


Bei den Bundesratswahlen 1848 hatten die Freisinnigen klar die Oberhand und besetzten alle sieben Sitze. 1891 wurde der erste Christdemokrat in den Bundesrat gewählt und ab 1943 waren erstmals alle grossen Parteien vertreten. 1959 einigten sich die vier wählerstärksten Parteien (FDP, CVP, SP und SVP) auf die Zauberformel.
Foto: winbib (Signatur 171242)

Persönlicher und beruflicher Werdegang

Jonas Furrer ist am 3. März 1805 in Winterthur als Sohn eines Schlossermeisters geboren und aufgewachsen. Einen besonderen Bezug hatte er als junger Knabe zu seinem Lateinlehrer Johann Conrad Troll. Die Schlossermeisterdynastie Furrer wohnte schon seit dem 18. Jahrhundert in der «Meise» an der Steinberggasse 18. Furrer hätte eigentlich gerne Medizin und Chemie studiert und verkehrte deshalb viel bei einem Freund in der Apotheke an der Marktgasse 60. Sein Vater riet ihm aber angesichts der hohen Ärztedichte von der Medizin ab und legte ihm das Studium der Rechtswissenschaft nahe. Furrer folgte dem väterlichen Rat und nahm 1806 am «Politischen Institut» in Zürich seine Studien auf. Dort knüpfte er viele Freundschaften. Seine juristische Ausbildung kam aber nicht in die Gänge, da ihm die Lehrmethoden wiederstrebten. Deshalb setzte Furrer sein Studium ab 1824 an den Universitäten Heidelberg und Göttingen fort. 1828 kehrte er in die Schweiz zurück und legte erfolgreich das Examen als Kantonsprokurator ab. In Winterthur trat er 1830 der Freimaurerloge Akazia bei.

Mit einer aufsehenerregenden Untersuchung über das Winterthurer Erbrecht machte sich Jonas Furrer 1832 einen Namen und erwarb das Fürsprechpatent, womit er als Rechtsanwalt tätig sein konnte. Im gleichen Jahr heiratete er Friederike Sulzer. Sie war die Tochter des verstorbenen Regierungsrats Johann Heinrich Sulzer, womit Furrer gesellschaftlich in das gehobene Winterthurer Bürgertum aufstieg. Der Ehe entsprangen drei Töchter und zwei Söhne.

Politischer Aufstieg

1838 zog die Familie nach Zürich, wo Furrer sich schnell als äusserst gefragter Anwalt etablierte. Schon mit 29 Jahren wurde der junge, zielstrebige und gebildete Jonas Furrer für die Liberalen in den Zürcher Grossen Rat (heute Kantonsrat) gewählt. Furrer tat sich jedoch mit seinem politischen Amt schwer und hielt sich selbst nicht für einen geborenen Redner und Volksvertreter, aus diesem Grund hatte er auch keine Ambitionen, sein ganzes Leben der Politik zu widmen, zumal ihm sein Beruf und die damit verbundene finanzielle Unabhängigkeit viel bedeutete. Dennoch stieg er schon bald ins Kader der liberal-radikalen Mehrheitspartei auf. 1837 präsidierte er gar den Zürcher Grossen Rat und wurde noch im selben Jahr zum Erziehungsrat gewählt. Als solcher unterstützte er die Berufung des historisch-kritischen und umstrittenen Theologen David Friedrich Strauss an die Zürcher Universität. Diese Wahl provozierte einen Aufstand unter konservativen Kräften und führte zum sogenannten «Züriputsch», im Zuge dessen die liberale Regierung gestürzt wurde. An Leib und Leben bedroht, soll Jonas Furrer gemeinsam mit anderen Regierungsräten in Frauenkleidern nach Baden geflohen sein – so zumindest erzählte man sich die Vorgänge im Nachhinein. Furrers Heimatstadt Winterthur entwickelte sich in der Folge zu einem Zentrum der liberalen Opposition. Der 1836 ins Leben gerufene «Landbote» vertrat die liberalen Positionen und auch Jonas Furrer wurde Mitglied der «Landbote-Gesellschaft».

1843 schaffte Furrer die Wiederwahl in den Zürcher Grossen Rat, wo er zuerst als liberaler Oppositionsführer auftrat und nach dem Sturz der konservativen Regierung im Jahr 1845 zum Regierungspräsidenten gewählt wurde. Damit entwickelte sich Furrer zu einer führenden Figur in der Zürcher Politik. Schon bald politisierte er als Zürcher Chefdelegierter auf nationaler Ebene. Als Mitglied der sogenannten «Siebnerkommission» bemühte er sich um eine friedliche Lösung des Sonderbundskonflikts. Dabei sprach er sich dezidiert gegen den katholisch-konservativen Sonderbund aus, setzte sich aber auf rechtlichem Weg für eine friedliche Konfliktregelung ein. Als diese Versuche scheiterten, unterstützte er die gewaltsame Auflösung des Sonderbunds durch die Armee.  Danach war er bei der Erarbeitung der neuen Bundesverfassung beteiligt und machte sich als pragmatischer und kompromissbereiter Politiker einen Namen. 1848 wurde er in den Ständerat gewählt, der ihn wiederum zum ersten Präsidenten machte.

Bundesrat wider Willen

1848 wählte die Bundesversammlung zum ersten Mal die Landesregierung. Jonas Furrer wurde dabei als Spitzenkandidat gehandelt, da er als «Geburtshelfer» der neuen Bundesverfassung galt und es gleichzeitig unbestritten war, dass die Zürcher einen Anspruch auf einen Sitz hatten. Mit 85 Stimmen wurde Jonas Furrer zum ersten Bundesrat und am gleichen Tag auch zum Bundespräsidenten gewählt. Furrer seinerseits bat jedoch um Bedenkzeit für seine Wahlannahme. Er tat sich schwer mit dem Gedanken, seinen Lebensschwerpunkt von Zürich nach Bern zu verlegen, und wollte die Wahl persönlich nur dann annehmen, wenn Zürich Bundeshauptstadt werden würde. Dies war jedoch nicht der Fall. Dank der Überzeugungskraft seiner politischen Freunde aus Zürich liess sich Furrer dennoch widerwillig zur regulären Ausführung seines Amtes überreden. Danach wurde er immer wieder mit Glanzresultaten als Bundesrat bestätigt.

Furrers Wirken als Bundespräsident

Als Bundespräsident übernahm er das dafür vorgesehene Politische Departement und gab im Gremium den Ton an, was ihm in der Presse in Anlehnung an einen Monarchen den Spitznamen «Furrer I.» einbrachte. Dabei musste er sich insbesondere mit Flüchtlingsfragen auseinandersetzen, da es 1848 in vielen europäischen Staaten zu revolutionären Aufständen gegen die Restauration des Absolutismus gekommen war. Tausende fliehende Revolutionäre baten in der Schweiz um politisches Asyl. Jonas Furrer setzte sich dabei für die strikte Einhaltung der Neutralität ein, um die schweizerische Unabhängigkeit durchzusetzen und das Land vor ausländischen Interventionen zu schützen. Deshalb stimmte er 1848 dem innenpolitisch heftig umstrittenen bundesstaatlichen Beschluss zu, die Anführer des badisch-pfälzischen Aufstandes auszuweisen. Die Gegner des Entscheides warfen ihm darauf Verrat am Radikalismus vor. Auch für seine abschätzende und pauschalisierende Haltung gegenüber von Juden wurde er von Zeitgenossen kritisiert. Ohnehin wurde immer wieder der Vorwurf laut, dass Furrer in der Aussenpolitik fast etwas zu diplomatisch Vorgehen würde. Er liess sich davon jedoch nicht beirren und setzte seine gewaltablehnende Vermittlungspolitik fort.

Wechsel ins Justiz- und Polizeiwesen

Als Justiz- und Polizeivorsteher konnte der Advokat jeweils ganz aus dem Vollen schöpfen. Während seiner achtjährigen Amtszeit als Justizvorsteher war er an der Ausarbeitung vieler Gesetze beteiligt, hervorzuheben ist jenes über die Einbürgerung von Heimatlosen und das Gesetz zum Schutz von konfessionell gemischten Ehen, die beide 1850 eingeführt wurden. Viel Zeit nahm die Behandlung von Rekursen in Anspruch, die damals noch vom Bundesrat direkt erledigt wurden, womit Furrer die Bundesrechtspraxis massgeblich prägte. Die Arbeitslast war jedoch enorm. Gegenüber Themen und Debatten, die nicht in seinen Kernbereich fielen, verhielt sich Furrer zurückhaltend, so beispielsweise in Bezug auf die Eisenbahnfrage oder die Frage nach der Gründung einer eidgenössischen Universität.

Tod im Amt und Andenken

Schon bald machte sich ein schweres Nierenleiden bemerkbar, dass den Bundesrat immer wieder zu Pausen zwang. Damit büsste er im Verlauf der 1850er-Jahre auch immer mehr an Einfluss ein. Gleichzeitig fühlte er sich in Bern zunehmend isoliert und sehnte sich nach einer Rückkehr nach Zürich. Trotzdem stellte er seine politischen Verpflichtungen über seine persönlichen Bedürfnisse und verzichtete auf einen Rücktritt. Während einer seiner vielen Genesungsurlaube verstarb Jonas Furrer am 25. Juli 1861 im Alter von 56 Jahren im Amt. Er wurde in einer öffentlichen Trauerfeier auf dem Friedhof St. Georgen beigesetzt. Über 2400 Personen sollen dem Trauerzug beigewohnt haben. Unmittelbar nach Furrers Tods wurde in Winterthur die Forderung laut, ihm ein Denkmal zu setzen. Umgesetzt und feierlich eingeweiht wurde es allerdings erst 1895 anlässlich des eidgenössischen Schützenfestes. Die Gebeine des Magistraten wurden exhumiert und beim Sockel des Denkmals beigesetzt.  Zu seinen Ehren wurde zudem eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus «zur Meise» angebracht. Der Quartierverein Hintergasse stellte in der Folge dreimal erfolglos einen Antrag zur Unbenennung der Hintergasse (heute Steinberggasse) in Jonas-Furrer-Strasse. Der Stadtrat hielt die Hintergasse für nicht würdig genug, stattdessen wurde 1914 die Erschliessungsstrasse im Vogelsang nach Jonas Furrer benannt.

Ein Bundesrat ohne persönlichen Nachlass

Auf Wunsch von Jonas Furrer wurde sein persönlicher Nachlass nach seinem Tod vernichtet. Einzelne Dokumente befinden sich im Bundesarchiv, der Zentralbibliothek Zürich und in der Sammlung Winterthur. Hier wird u.a. sein Privatprotokoll zu den Verhandlungen um die Bundesverfassung aufbewahrt.


Benutzte und weiterführende Literatur

Betschart, Marlis: Erlesenes aus dem Stadtarchiv: In Erinnerung an einen «Unsrigen» – Jonas Furrer zum Gedenken, in: Winterthurer Jahrbuch 2021, Winterthur 2020, S. 119–123.
Betschart, Andres: Eine Strasse für Jonas Furrer, keine für Ludwig Forrer, in: Von Ackeret bis Zytmoos. Strassennamen in Winterthur (Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur 357), Winterthur 2019, S. 44.
Keller, Jonas: Winterthurs grösster Sohn: Wer war Jonas Furrer? Interview mit dem Historiker Peter Niederhäuser, in: Landbote, 20.06.2020.
Feusi Widmer, Roswitha: Jonas Furrer, in: Das Bundesratslexikon hrsg. von Urs Altermatt, Basel 2019, S. 31–37.
Jossi, Christian: Jonas Furrer: eigenwillig und brilliant, in: Winterthurer Jahrbuch 2006, Winterthur 2005, S. 138–143.
Bucher, Erwin/Rentsch, Hans U. : Bundesräte aus Winterthur, in: Winterthurer Jahrbuch 1984, Winterthur 1984, S. 29–51.
Dejung, Emanuel: Jonas Furrer von Winterthur 1805–1861. Erster Schweizerischer Bundespräsident. Ein Lebensbild, Winterthur 1948.

Bibliografie

    Furrer, Jonas, 1805-1861, Bundespräsident

    • Einträge ab 2011

      Mörgeli, Christoph: Die Schweiz regiert sich selber. In: Weltwoche, Nr. 39 (2019). S. 12-13.
      Widmer, Urs: Jonas Furrer (3.3.1805-25.7.1861). In: Dokumentation Urs Widmer, Personen A-Z 2 S.
      Betschart, Marlis: Erlesenes aus dem Stadtarchiv: In Erinnerung an einen "Unsrigen" – Jonas Furrer zum Gedenken. In: Winterthurer Jahrbuch 2021. S. 119-123. m. Abb.

      Einträge 1991–2010

      Kein Feuerkopf...: Landbote 1991/117 von Roswitha Feusi Widmer, 1Abb.
      In: Die Schw. Bundesräte, ein biographisches Lexikon. Hrsg. Urs Altermatt. Zürich, 1991, S.103-108 von Roswitha Feusi Widmer, m.Abb.
      In: Gordon A. Craig. Geld und Geist, Zürich im Zeitalter des Liberalismus 1830-1869. München, 1988.
      Zürich folgte J.F. in die neue Schweiz: Landbote 1998/174 von Pascal Unternährer.
      Wahl zum Bundesrat vor 150 Jahren: Landbote 1998/266.
      Wahl zum Bundespräsidenten vor 150 Jahren: Tages-Anzeiger 1999/60 1Abb.
      200. Geburtstag: Landbote 2005/50 von Peter Niederhäuser, 1Abb. - Der Aufsteiger aus der Provinz: Winterthurer Jahrbuch 2006 von Christian Jossi, m.Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
08.11.2022