Vereine und Verbände

Schwyzerverein Winterthur und Umgebung

1925 wurde im Restaurant Zürcherhof der Schwyzerverein Winterthur&Umgebung gegründet. Es handelt sich um einen typischen Heimatverein des frühen 20. Jahrhunderts. Diese Vereine hatten zum Zweck, die eigene Kultur und Traditionen auch in der fremden Heimat hochzuhalten und zu pflegen.


Gründungsdatum
22. März 19 1945

Geburtsort
Restaurant Zürcherhof


Historischer Kontext

Mit der Gründung des Schweizerischen Bundesstaates im Jahr 1848 schlossen sich die einzelnen Kantone zu einer gemeinsamen Nation zusammen. Die Identifikation mit der eigenen Herkunftsgemeinde und dem eigenen Herkunftskanton ist nach wie vor sehr stark. Das Einsetzen der Industrialisierung in der Schweiz führte im 19. Jahrhundert zu einer ausgeprägten Binnenmigration. Immer mehr Menschen zogen von den ländlich geprägten Kantonen in die grösser werdenden Industriestädte. Um die heimischen Bräuche und Traditionen hochzuhalten und zur Bekämpfung des Fernwehs entstanden deshalb im frühen 20. Jahrhundert überall in der Schweiz und auch im Ausland verschiedene kantonspezifische Heimatvereine.

Gründung in Winterthur

Am 22. März 1925 versammelten sich 12 Männer aus dem Kanton Schwyz im Restaurant Zürcherhof und gründeten den Schwyzerverein Winterthur und Umgebung. Der erste Vorstand bestand aus dem Präsident Albert Wild, Vizepräsident Anton Mächler, Aktuar Anton Vogt, Kassier Karl Züger und dem Beisitzer Emil Hafner. Die Statuten besprachen die Anwesenden am gleichen Abend provisorisch und der geschuldete Mitgliederbeitrag betrug 50 Rappen pro Monat. Schon bald zählte der Verein 32 Mitglieder. Im Gegensatz zum Schwyzerverein Zürich waren in Winterthur schon von Anfang an auch Frauen zugelassen, die im Verein die gleichen Rechte und Pflichten wie die Männer hatten.

Die Mitglieder trafen sich in den ersten Jahren in verschiedenen Restaurants in Winterthur und unternahmen gemeinsam kleinere Ausflüge in die Innerschweiz. Mit öffentlichen Heimatabenden machte der Schwyzerverein die heimischen Traditionen und Bräuche auch der Winterthurer Bevölkerung bekannt und erwirtschaftete damit einen kleinen Gewinn, der in die Vereinskasse floss.

Das erfreuliche Wachstum wurde jäh durch die Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre unterbrochen. Diese traf die Menschen so hart, dass sogar zeitweise der Mitgliederbeitrag ausgesetzt werden musste.

Schwyzertag

Der Schwyzerverein Winterthur und Umgebung pflegte einen engen Austausch mit den gleichnamigen Vereinen in anderen Kantonen. 1934 organisierten die Schwyzervereine Winterthur, Zürich und Basel den ersten «Schwyzertag» auf der Ibergeregg. An dieser Berglandsgemeinde nahmen rund 300 Vereinsmitglieder und 800 Schaulustige teil. Die Festrede hielt der damalige Landesstatthalter August Bettschart, der den Schwyzer Regierungsrat vertrat. Die Heimatvereine übten für die jeweiligen Kantone eine wichtige Funktion aus, da sie dafür sorgten, dass die Anliegen und Argumente der ländlichen Kantone auch in den grösseren Städten gehört werden. Die Schwyzertage wurden in der Folge mehrmals wiederholt. 

Neuausrichtung während dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges veränderten sich die Bedürfnisse der Vereinsmitglieder. Die meisten Männer wurden in den Aktivdienst eingezogen, während ihre Ehefrauen zu Hause den Haushalt führten und die Geschäfte am Laufen hielten. Alle mussten den Gürtel enger schnallen, weshalb der Schwyzerverein kostengünstige Mai- und Sauerbummel organisierte. An diesen Anlässen konnten die Teilnehmenden den Kontakt pflegen, ohne das Haushaltsbudget zu belasten. Der Schwyzerverein entwickelte sich rasch zu einem Familienverein, in dem die Pflege der Gemeinschaft im Vordergrund stand – und natürlich der regelmässige Genuss von echtem Schwyzer Kaffee.

Aufschwung während der Hochkonjunktur

Nach dem Krieg erlebte die Schweiz eine Phase des raschen Wohlstands. Davon profitierte auch der Heimatverein. Der Verein konnte wieder mit einem abwechslungsreichen und attraktiven Programm aufwarten, was sich in steigenden Mitgliederzahlen zeigte. Auch die Ausflugsziele erweiterten sich. So winkten Reisen ins Appenzellerland, ins Fürstentum Liechtenstein oder in die Lenzerheide. Ab 1950 organisierte der Verein eigene Bergtouren zum Hohen Kasten, zu den Mythen und zur Rigi. Beliebt waren auch die Jassturniere, Kegelabende und Chlausfeiern. Weiter veranstaltete der Verein regelmässige Lichtbilderabende mit Rückblicken auf vergangene Anlässe. Natürlich durfte auch die Ländlermusik nicht fehlen. Ein Höhepunkt des Vereinsjahres war jeweils ein Waldfest auf dem Güetli. 1963 beteiligte sich der Verein an den 700-Jahr-Feierlichkeiten der Stadt Winterthur mit einer grossen Trachtentanzaufführung auf der Schützenwiese.

1975 feierte der Schwyzerverein Winterthur und Umgebung sein 50-jähriges Bestehen im Hotel Zentrum Töss. Der Höhepunkt des Festaktes war die Weihe einer eigenen Vereinsfahne. Diese beginnt mit einer angedeuteten Zürcher Kantonsflagge, wechselt dann zum Schwyzer Wappen und trägt am unteren rechten Rand das Stadtwappen von Winterthur. Die Fahne kam erstmals in der Kirche St. Josef in Töss zum Einsatz, wo der Verein seinen Festgottesdienst feierte und an seine verstorbenen Mitglieder gedachte.

Gründung der Höllhoch-Hexen

1979 gründeten über zwanzig fasnachtsbegeisterte Mitglieder aus dem Kreise des Schwyzervereins die Gruppe der Höllloch-Hexen, die fortan an der Winterthurer Fasnacht teilnahmen. Mit ihnen wurde ab 1980 auch die Schwyzer Fasnacht wieder regelmässig gefeiert und zwar im Vereinslokal zum Wilden Mann. 1983 erreichte der Verein seinen Höchststand von 203 Mitgliedern. 1988 bestimmte der Verein das Quartierzentrum Gutschick zum neuen Vereinslokal.

In den 1990er-Jahren wendete sich das Blatt allmählich. Die Industriestadt Winterthur geriet in die Krise und litt unter der weltweiten Rezession. Viele Arbeitsplätze gingen verloren. Grössere Ausflüge lagen deshalb für viele nicht mehr drin. Zudem hatte der Verein mit Nachfolgeproblemen zu kämpfen, da die jüngere Generation sich eher an der grossen weiten Welt orientierte und weniger Interesse an den heimischen Bräuchen und Traditionen zeigte. 1997 verzichtete der Verein deshalb erstmals auf eine Teilnahme am Albanifest mit einem eigenen Festzelt.

Stets mit der Heimat verbunden

Wer in jungen Jahren in die Stadt zieht, tut das oft in der Absicht, irgendwann in die Heimat zurückzukehren. Häufig nimmt das Leben dann aber einen anderen Verlauf: Man schafft sich ein neues Netzwerk, verliebt sich und gründet eine Familie. So findet man in der einstigen Ferne eine neue Heimat. Der Schwyzerverein besteht mittlerweile hauptsächlich aus älteren Mitgliedern, die schon seit vielen Jahrzehnten mitwirken und in Winterthur wohnen geblieben sind. Dennoch haben sie ihren Ursprungskanton nie vergessen und pflegen weiterhin dessen Traditionen und Bräuche. Als 2019 der Aargauerverein aufgelöst wurde, entschloss die Generalversammlung des Schwyzervereins die übrigen Mitglieder bei sich aufzunehmen. 2025 feierte der Verein sein 100-jähriges Bestehen.


Stauffer, Menoa: Seit 100 Jahren halten die Schwyzer in Winterthur zusammen, in: Der Landbote, 02.04.2025.
Gmür, Martin: Wenn Aargauer zu Schwyzern werden, in: Der Landbote, 04.02.2019.
Lanz, Christian: «Schwyzer geniessen das Leben», in: Der Landbote, 17.03.2009.
Deuber, Hermann: 75 Jahre Schwyzerverein Winterthur & Umgebung. Vereinschronik, Winterthur 2000.
o.A.: Berglandgemeinde der Schwyzer, in: Freiburger Nachrichten, 10.07.1934.

Bibliografie


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
14.07.2025