Grosskonzerne

Textilfirma Jaeggli & Cie / Maschinenfabrik Jaeggli AG

1842–1980er-Jahre

1846 gründeten Johannes Stahel und Jakob Jäggli in einem einfachen Haus an der Tösstalstrasse in Seen die Firma «Stahel & Jäggli». 1849 verlegten sie ihre Produktion von Baumwollstickgarnen nach Oberwinterthur. 1871 stieg Stahel aus der Firma aus und 1877 begann Jaeggli mit der Herstellung von Webstühlen für Baumwolle und Seide. Später kamen Merceriemaschinen hinzu. 1975 verlegte die Maschinenfabrik Jaeggli AG ihre gesamte Produktion nach Elsau. Die Fabrik wurde abgerissen und auf dem Areal die Wohnüberbauung Unteres Bühl gebaut.


Auflösung
1980er Jahre

Gründungsdatum
1842


Adresse
Textilfabrik Jakob Jäggli
Römerstrasse 146
8404 Oberwinterthur

Textilfabrik Jakob Jäggli an der Römerstrasse 146 auf Briefkopf, 1890er-Jahre. Foto: winbib (Signatur 065610_O)

Stahel & Jäggli

1846 gründeten Johannes Stahel und Jakob Jäggli (1817-1895) in einem einfachen Haus an der Tösstalstrasse in Seen die Firma «Stahel & Jäggli». Johannes Stahel kam aus Turbenthal, wo er 1842 eine einfache Zwirnerei betrieb. 1844 zog er nach Seen und lernte dort den Gemeinderatspräsidenten Jakob Jäggli kennen, der aus einem angesehenen Seemer Bauerngeschlecht stammte. Die beiden verstanden sich auf Anhieb gut und begannen zusammen Baumwollstrickgarne herzustellen. 1848 planten sie die Vergrösserung ihrer Firma und kauften dafür ein langes Wohnhaus am Dorfrand von Oberwinterthur an der Römerstrasse mit grosszügigen Landreserven für Erweiterungsbauten. 1849 verlegten sie ihre kleine Textilfabrik von Seen nach Oberwinterthur. Dort produzierten sie neu unter dem Namen «Stahel & Jäggli, Zwirnerei» Baumwollstrickgarne und Nähfäden. Das Geschäft lief gut, und die Produktionsstätten wurden ständig erweitert. 1850 ergänzten sie den Betrieb um eine Bleicherei. 1854/55 eröffneten sie eine Seidenzwirnerei und bauten dafür ein grösseres Zwirngebäude. Zum Gebäude kamen gleichzeitig eine kleine Färberei und ein kleiner Dampfmaschinenraum hinzu. Schliesslich war das Geviert zwischen Römer-, Talackerstrasse, Hohlandweg und Unterwegli fast vollständig mit den Fabrikationsgebäuden der Firma «Stahel & Jäggli» überbaut. 1858 gründete die Firma eine eigene Betriebskrankenkasse. Ab 1861 brach die Produktion wegen des Bürgerkriegs in Amerika fast vollständig ein, da die Baumwollausfuhr aus den Südstaaten der USA fast vollständig unterbunden war. Die Firma, die bis dahin vor allem  Nähfaden, Handstrickgarn und Wolle produzierte, setzte daraufhin mit der Produktion von Näh- und Futterschneidmaschinen ein.

Jakob Jaeggli & Cie in Oberwinterthur

Infolge von Unstimmigkeiten zwischen den beiden Geschäftspartnern trat Johannes Stahel 1871 aus der Firma aus. Jakob Jäggli-Furrer war fortan alleiniger Geschäftsinhaber bis sein Sohn Rudolf Jakob Jaeggli 1876  in die Firma eintrat. Dieser hatte bereits in England und Italien berufliche Erfahrungen gesammelt. 1877 begannen sie mit der Herstellung von Webstühlen für Baumwolle. Aufgrund von Absatzschwierigkeiten sattelte die Firma dann aber auf die Produktion von Seidenwebstühlen um. Diese standen bald schon in allen grossen Seidenwebezentren in Europa. 1886 übertrug Jaeggli-Furrer seinem Sohn Jakob Jäggli-Pünter (1852-1934) die Geschäftsleitung. Dieser erweiterte die Fabrik zu einer modernen Werkstätte und ergänzte sie mit einer freistehenden Montagehalle. In den 1890er Jahren verliessen jährlich 800 bis 1000 Webstühle und Windmaschinen die Fabrik in Oberwinterthur. 1923 wandelte Jakob Jaeggli-Pünter mit der Aufnahme seiner Söhne Hans Jäggli-Corti, Max Jaeggli-Hartmann und Fritz Jäggli-Feer die Firma in die Kollektivgesellschaft «Jaeggli & Cie» um. Neu führten sie auch eine Merceriemaschine im Sortiment. Gleichzeitig vergrösserten sie die Fabrikanlage und bauten für die Mitarbeitenden eine Wasch- und Badeanlage sowie ein Wohlfahrtshaus mit Speisesaal, Lesezimmer und Bibliothek. 1934 starb Jakob Jäggli-Pünter im Alter von 82 Jahren. 1941 nahm die Firma ein neugebautes Kesselhaus mit hochleistungsfähiger Heizungsanlage in Betrieb. 1968 gab die Firma Jakob Jaeggli & Cie aufgrund eines immer stärker werdenden Konkurrenzkampfes die Nähfadenabteilung und den Wollhandel an die Firmen Zwicky & Co. in Wallisellen, Wettstein & Cie in Dagmarsellen, Bucher & Cie in Burgdorf und Lang & Cie in Reiden ab. 1970 wurde aus der Kollektivgesellschaft die «Jaeggli Maschinenfabrik AG», die sich ab dann vorwiegend dem Bau von Merceriemaschinen widmete. 1970 waren auf der Welt über 600 Mercerieanlagen aus Oberwinterthur in Betrieb, die meisten davon im Ausland. Neben den Merceriemaschinen stellte die Firma Jaeggli auch Neutralisierungsmaschinen und Einrichtungen zur Laugenaufbereitung und Eindampfung her. Ende der 1960er Jahre suchte die Firma Jaeggli Maschinenfabrik AG, die sich mittlerweile mitten im Wohngebiet in Oberwinterthur befand, nach einem geeigneten Standort in einem Industriegebiet. Nachdem die Pläne, die Fabrik ins Grüzeareal zu verlegen, gescheitert waren, fand die Firma Jaeggli AG in Elsau das passende Stück Land. 

Verlagerung nach Rümikon und Verkauf

Im Juli 1968 kaufte die Maschinenfabrik Jaeggli AG der Gemeinde Elsau für 550'000 Franken ein Grundstück in Rümikon ab. Innerhalb von drei Jahren baute die vierte Generation Jaeggli unter der Leitung des Architekten Max Lutz dort eine neue Fabrikanlage. Ende November 1975 bezog die Maschinenfabrik Jaeggli die neue Fabrikanlage im Geeren in Rümikon und verlagerte damit ihre Produktion und ihren Geschäftssitz nach Elsau. 1981 übernahm das deutsche Unternehmen Kleinewefers Textilmaschinen GmbH die Jaeggli. Mitte der 1980er-Jahre schloss die Firma in Elsau ganz und die gesamte Produktion übernahm das Stammhaus der Kleinewefers Textilmaschinen GmbH.

Überbauung des Jäggliareals in Oberwinterthur

Nachdem die Maschinenfabrik Jaeggli AG 1968 das Landstück in Elsau gekauft hatte und den Wegzug aus Oberwinterthur beschlossen war, entschied der Verwaltungsrat der Jaeggli Maschinenfabrik AG zusammen mit der ihr verbundenen Praxi Immobilien AG, das gesamte Fabrikareal zwischen Römerstrasse, Talackerstrasse und Unterwegli für den Wohnungsbau freizugeben. Die Praxi Immobilien AG erarbeitete daraufhin ein Ausbauprojekt für das Areal "Unteres Bühl". Das Baugesuch umfasste acht Mehrfamilienhäuser mit einem Kindergarten, Läden und unterirdischen Autoparkplätzen. Das gesamte Projekt sollte in Zeiten von Wohnungsnot Leben und Aufschwung in die Nähe des Dorfkerns bringen. Im Vorfeld der Planung gab es einige Kritik an der Überbauung. Die massive Kubusform des Hochhauses an der Talackerstrasse sowie die Einordnung der Hochbauten in die Landschaft wurden als störend empfunden. Das Bauvorhaben wurde im Rahmen des Baukollegiums der Stadt Winterthur geprüft und als gut befunden. Laut Bauamt der Stadt Winterthur nahm das Projekt Rücksicht auf die Stellung des Kirchenhügels und ging auf die verkehrstechnische Erschliessung des Quartiers ein. Realisiert wurde die Grossüberbauung "Unteres Bühl" von den Winterthur Versicherungen. Mit dem Bau wurde der Zürcher Architekt Walter Niehus betraut. Nachdem der Hochkamin der Jaeggi-Fabrik im Beisein von hunderten Zuschauer:innen 1972 gesprengt worden war, begannen 1973 die Bauarbeiten. Ein Zeitzeuge ist übriggeblieben: Das 1905 im aufwendigen Heimatstil errichtete Portierhäuschen. 

Benutzte und weiterführende Literatur

Ein Riese wurde gefällt. In: Der Landbote, 18.10.1972.
Lattmann, Peter: Der Umzug ist gelungen. In: Der Landbote, 17.5.1976.
Ruckli, Hans: Jäggli AG siedelt sich in Elsau an. In: Der Landbote, 7.10.1972.
Elsau fördert Industrieansiedlung. In: Der Landbote, 3.10.1972.
Bauamt der Stadt Winterthur: Überbauung der «Jäggliwiese». In: Der Landbote, 18.9.1970.
Hosang, Balz: Unbekannte Winterthurer Industrie: Jaeggli Maschinenfabrik AG. In: Der Landbote, 15.1.1970.
Schaufelberger, Hans: Die umstrittene Ueberbauung auf dem Jäggli-Areal. In: Der Landbote, 12.7.1969.
Bauvorhaben in Oberwinterthur. In: Der Landbote, 31.5.1969.
Firma Zwicky & Co., Wallisellen, nun auch in Winterthur. In: Neues Winterthurer Tagblatt, 20. August, 1968.
14 bunte Nastücher, 40 Boudoirpantöffelchen und 180 Facehnfünfliber. Zur Jubiläums-Firmareise 125 Jahre Jakob Jaeggli Cie. In: Neues Winterthurer Tagblatt, 12.7.1967.
Hundert Jahre Jakob Jäggli & Co. Oberwinterthur. In: Der Landbote, 24.8.1943
100 Jahre Jakob Jäggli & Cie. Mitteilungen über Textilindustrie: Schweizerische Fachschrift für die gesamte Textilindustrie. Band 49 (1942), Heft 11.

Bibliografie

    Jakob Jaeggli & Cie, Maschinenfabrik, Oberwinterthur

    • Einträge ab 2011

      Widmer, Urs: Fabrik Jaeggli. Römerstrasse. In: Dokumentation Urs Widmer. Bauwerke und Häuser A-Sch. 2 S. mit Bild.
      Briner, Karin: Oberi aus dem Bildarchiv. In: Oberi Zytig, Nr. 236, Februar 2021. S. 13. m. Abb.

      Einträge 1991–2010

      Oberi Zytig 1994/105 von Kurt Müller, m.Abb.
      Portierhäuschen: Landbote 1992/125 m.Abb. - Oberi Zytig 1992/95 von Martin Huber, m.Abb.


Autor/In:
Karin Briner
Letzte
Bearbeitung:
05.12.2025