Natur und Pärke

Totentäli

Das grösste Biodiversitätsfördergebiet von Winterthur

Zwischen dem Schlossberg mit der Ruine Alt-Wülflingen und dem Tschuppentännli mit der ehemaligen Befestigung Hoh-Wülflingen liegt das abgeschiedene Totentäli. Hier und in den angrenzenden Wald- und Wiesengebieten darf nun das grösste zusammenhängende Fördergebiet für die Biodiversität in Winterthur entstehen.


Blick ins Totentäli 2007
Foto: Heinz Bächinger

Geologische Besonderheit

Das Totentäli blickt auf eine spannende Entstehungsgeschichte zurück. Ausgefressen wurde der Einschnitt nämlich beim Rückzug der letzten eiszeitlichen Gletscher vor über 10'000 Jahren durch einen Schmelzwasserfluss. Heute ist der Fluss längst verschwunden, verschiedene Landschaftsmerkmale wie Toteislöcher, Wallmoräne oder Drumlin sind aber noch immer stumme Zeugen der früheren Gegenwart des Gletschers, auch wenn sie nicht mehr offensichtlich zu erkennen sind. Das Gebiet ist denn auch als geomorphologisches Schutzobjekt im Natur- und Landschaftsschutzinventar der Stadt Winterthur aufgeführt. Daneben beherbergt es eine kantonale Naturschutzzone mit Amphibienlaichgewässern von nationaler Bedeutung.

Wie das Totentäli zu seinem Namen kam, darüber lässt sich spekulieren. Naheliegend wäre, dass er mit seiner Entstehungsgeschichte zu tun hat: Der Fluss, der das Tal einst ausgefressen hatte, war zum «Toten Fluss» oder «Toten Wasser» verkommen. Vielleicht geht der Name aber auch auf die Grabesstille zurück, die in diesem abgeschiedenen Tal seit jeher herrschte. Selbst heute ist es hier stiller als in der Umgebung, wo der Lärm der Autobahn allgegenwärtig ist. Klar ist auf jeden Fall, dass die Landschaft des Totentäli alles andere als tot ist.

Ein Gebiet zur Förderung der Artenvielfalt

Ein Teil der Amphibientümpel im Totentäli wurde in den 1970er-Jahren künstlich erstellt. Mit der Zeit konnte sich eine vielfältige Tier- und Pflanzengesellschaft entwickeln, die heute schweizweit von Bedeutung ist. Hier kann sich neben anderen Arten auch die gefährdete Geburtshelferkröte nach wie vor erfolgreich fortpflanzen. Wegen ihres glockenähnlichen Rufes wird die kleine Kröte im Volksmund auch Glögglifrosch genannt. Die Geburtshelferkröte ist eine der Zielarten, die mit dem aktuellen Artenschutz-Projekt der Stadt Winterthur weiter gefördert werden sollen, damit sie langfristig überleben können. Im Rahmen des Projekts wurden im Herbst 2022 zusätzliche, neue Weiher gebaut und das Waldgebiet am Südhang des Büechlibuck ausgelichtet. Zur Schonung der Natur werden weitere Aufwertungsmassnahmen etappenweise ausgeführt und das Gebiet für Besucherinnen und Besucher über einen neuen Holzsteg mit Beobachtungsplattformen erschlossen. Mit der Aufhebung der bestehenden Waldstrasse auf der Länge des neuen Steges wird ein für viele Tiere bedrohliches Hindernis entfernt und ein fliessender Übergang von nassen zu trockenen Lebensräumen gewährleistet.

Das «Biodiversitätsgebiet Totentäli» umfasst aber nicht nur das Totentäli selber, sondern auch die angrenzenden Wald- und Wiesengebiete. 54 Hektaren Wald, Wiese und Feuchtgebiet werden damit zur grössten zusammenhängenden Förderfläche für die Biodiversität der Stadt Winterthur zusammengefasst. An den steilen Südhängen der Hügel Hoh-Wülflingen, Schlossberg und Büechlibuck werden mit lichten Waldflächen geschützte Orchideen und andere lichtliebende Pflanzenarten gefördert. Im nordseitigen Naturwaldreservat mit viel Totholz finden die Tiere, Pilze und Mikroorganismen einen Lebensraum, die im Totholz zu Hause sind und dieses abbauen. Davon profitieren einerseits die Pflanzen, denen durch die Zersetzung frei werdende Nährstoffe wieder zur Verfügung stehen, andererseits Tierarten wie der Schwarzspecht, die sich von holzbewohnenden Insekten ernähren. In den Magerwiesen an den Südhängen von Hoh-Wülflingen sollen Tiere und Pflanzen einen neuen Lebensraum finden, die in bunten Blumenwiesen zu Hause sind. Dies sind zum Beispiel seltene Schmetterlings- oder Grashüpferarten sowie Wiesenpflanzen, die in einer gedüngten und mehrmals jährlich gemähten Wiese nicht überleben können.

Auf dem Schlossberg wurde im Jahr 2018 die Ruine Alt-Wülflingen restauriert und ein neuer Grillplatz eingerichtet. Der Waldabschnitt rund um die Ruine wird daher vom Waldreservat ausgenommen und soll weiterhin Erholung suchenden Familien zur Verfügung stehen.

Pimpernuss – seltener Strauch in ungewöhnlicher Häufigkeit

Am Westende des Totentäli – da, wo die Kaspar-Weinmann-Strasse die Anhöhe erreicht und der Fussweg nach Neuburg abzweigt – findet sich eine aussergewöhnliche Häufung von Pimpernuss-Sträuchern. Diese wärmeliebende Gehölzart gedeiht in lichten Laubmischwäldern an eher trockenen Standorten und ist im Schweizer Mittelland und Jura selten anzutreffen. Ihr Bestand wird auf der nationalen Roten Liste der bedrohten Arten als verletzlich geführt. Die gefiederten Blätter des bis 4m hohen Pimpernuss-Strauches erinnern etwas an Holunder, seine weissen Blüten sind aber bedeutend grösser und die eigenartigen Früchte sind unverwechselbar. In papierartigen, bis 4.5cm grossen Kapseln entwickeln sich meist mehrere orangebraune, harte Samen, die in reifem Zustand in der Kapselhülle klappern oder "pimpern". Davon leiten sich die deutschen Namen Pimper- oder Klappernuss ab.

Die Pimpernuss wurde – ähnlich wie der Walnussbaum sowie viele Obstbaumarten und Küchenkräuter – während der Römerzeit aus Südosteuropa und Kleinasien nach Mitteleuropa gebracht. Die Römer nutzten die hartschaligen Samen beispielsweise für Gebetsketten. Ohne die harten Schalen sind die Samen essbar. Noch heute wird im Bayerischen Wald aus gerösteten Pimpernüsschen ein Likör hergestellt, der als lokale Spezialität gehandelt wird.


Benutzte und weiterführende Literatur

Stadt Winterthur: Biodiversitätsgebiet Totentäli, Projektbeschreibung, 2022.
Stadt Winterthur: Totentäli: Stadt schafft grosses Biodiversitätsgebiet, Medienmitteilung vom 22.12.2021.
Flora Helvetica: Staphylea pinnata L., 2018.
Schneider, Alfred: Unser Winterthur. Handbuch zur Heimatkunde, Winterthur 1972.

Bibliografie

    Totentäli

    • Einträge ab 2011

      Schmidt, Julius; Biberstein, Sandra: Totentäli - ein Gespräch. In: Coucou, Nr. 88 (2020). S. 24-25. m.Abb.
      Schär, Christine: Schmetterlingsweg. Wanderung vom Dättnau ins Totentäli. Euses Blättli, Nr. 146 (2023). S. 12-13. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      Landbote 2008/194 Winterthurer Mythen: Landbote 2008/194 1Abb.


Autor/In:
Katrin Junker
Letzte
Bearbeitung:
26.05.2023