Politik

Elisabeth Stagel

Mystikerin, Dominikanerin im Kloster Töss, Priorin, um 1300–1360

Elisabeth (Elsbeth) Stagel war Nonne und später Priorin im Koster Töss. Sie gilt als Verfasserin des Tössemer Schwesternbuchs sowie als mögliche Mitverfasserin der Legende von Elisabeth von Ungarn. Damit ist sie eine bedeutende Figur in der mittelalterlichen deutschschweizerischen Literaturgeschichte. Stagel korrespondierte mit Heinrich Seuse, einem wichtigen deutschen Mystiker, der sie als seine geistliche Tochter bezeichnete.


Sterbeort
Kloster Töss

Geburtsort
Nicht bekannt

Geboren
um 1300

Gestorben
um 1360


Bildnis von Elisabeth Stagel in einer Nürnberger Abschrift der Schwesternbücher. Die Handschrift wurde digitalisiert und kann online betrachtet werden. 
Foto: Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg, Schwesternbücher Von Töss, Diessenhofen und Ötenbach – Nürnberg, STN, Cent. V, 10a. nach 1459/60. Nürnberg.

Überlieferung

Die Lebensgeschichte von Elsbeth Stagel findet sich als Vorrede in der Überlieferung der 33 Viten der Ordensschwestern von Töss. Darin identifiziert der Dominikanermönch Johannes Meyer (1442-1485) Elsbeth Stagel als Verfasserin der ihm vorliegenden Viten. Es existieren drei Handschriften, je eine in der Stiftsbibliothek St. Gallen und in den Stadtbibliotheken Überlingen und Nürnberg. Ob Elsbeth Stagel wirklich als Verfasserin aller Viten inklusive der Elisabethenlegende gelten kann, wird bis heute diskutiert.

1906 verfasste Ferdinand Vetter (1847-1924), ein Schweizer Germanist und Mediävist, eine erste deutsche Übersetzung der Schwesternviten. Darauf stützt sich auch der ehemalige Stadtpfarrer Robert Heinrich Oehninger, der die Viten 2003 in einer neuen Übersetzung mit Kommentar herausgegeben hat.

Eintritt und Leben im Kloster Töss

Elsbeth Stagel (auch Elisabeth Stagel bzw. Elsbeth Staglin) wurde um 1300 in Zürich als Tochter des Ratsherrn Rudolf Stagel geboren. Als Tochter aus einer Zunftfamilie war Elsbeths Weg als Nonne nicht vorgezeichnet. Auch der Wechsel nach Töss war nicht naheliegend, näher bei Zürich wäre zum Beispiel das Kloster Oetenbach gewesen. Robert H. Oehninger stellt in seinem Kommentar zu den Viten der Ordensschwestern die These auf, dass sich die Stagels aus innerstädtischen Konfrontationen heraushalten und nicht mit habsburgischen Traditionen brechen wollten. So gaben sie Elsbeth als junge Frau in das Winterthurer Kloster. Dort fiel Elsbeth gemäss Johannes Meyer durch ihre Intelligenz auf und sie korrespondierte mit verschiedenen «gelehrten Gottesfreunden».

Verbindung zu Heinrich Seuse und Erscheinen als Autorin

Einer dieser Gottesfreunde war der deutsche Mystiker Heinrich Seuse (auch Heinrich Suso). Vermutlich lernte Elsbeth Seuse um 1336 persönlich kennen. Er selbst berichtet von seiner Begegnung mit Elsbeth Stagel und auch in Meyers Vita steht die Episode, in der berichtet wird, wie Stagel Seuse über dessen geistlichen Werdegang befragt und dann damit beginnt, seine Lebensgeschichte niederzuschreiben. Seuse soll darüber zunächst erzürnt gewesen zu sein, doch er erkennt Stagels sprachliches Talent und erlaubt ihr, die Niederschrift zu behalten. Im Folgenden kommt es zu einem regen Briefwechsel zwischen den beiden, der in Teilen von Seuses Schriften erhalten ist. Stagel hat somit vermutlich Anteil an Seuses Briefbuch und an der deutschen Übersetzung von dessen «Büchlein der ewigen Weisheit», das in einer frühen Handschrift aus Töss auftaucht. Es kam später in das Benediktinerinnenklosters St. Andreas in Engelberg und enthält am Schluss einen Eintrag von der Hand Stagels mit der Bitte, sie und ihre Familie in gutem Gedenken zu behalten. 

Als Autorin tritt Elsbeth Stagel als mögliche Verfasserin der Vita von Heinrich Seuse und als Urheberin des Schwesternbuchs von Töss in Erscheinung. Damit steht sie im Kontext von frauenklösterlicher Schreibkultur und ist – trotz aller Diskussionen um ihren Anteil an den entsprechenden Viten – Teil der deutschen Frauenmystik und ihren spezifischen narrativen Formen. 

Strassenbenennung

Im Dättnau wurde im Jahr 2008 in Erinnerung an die beiden Klosterfrauen Elisabeth von Ungarn und Elisabeth Stagel der Elisabethenweg eingeweiht. Die Würdigung steht im Kontext des Bestrebens in Winterthur, mehr Frauen im öffentlichen Raum sichtbar zu machen. Die Namensvergabe fand vor der Änderung der städtischen Vergabepraxis statt - diese sieht seit 2015 vor, dass nur noch bedeutende Strassen einer verdienstvollen Persönlichkeit gewidmet werden dürfen. 


Benutzte und weiterführende Literatur


Oehninger, Robert H.: Wir hatten eine selige Schwester… 33 Lebensberichte über Dominikanerinnen aus dem Kloster Töss bei Winterthur, nach dem mittelhochdeutschen Text von Elsbeth Stagel, Winterthur 2003, 2 Bde.
Schiewer, Hans-Jochen: Möglichkeiten und Grenzen schreibender Ordensfrauen im Spätmittelalter, in: Barbara Helbling u.a.: Bettelorden, Bruderschaften und Beginen in Zürich: Stadtkultur und Seelenheil im Mittelalter, Zürich 2002, S. 179–187.
Isler, Ursula: Frauen aus Zürich, Zürich 1991, insb. S. 9–35.
Vetter, Friedrich: Das Leben der Schwestern zu Töß, beschrieben v. Elsbeth Stagel samt der Vorrede von Johannes Meier und dem Leben der Prinzessin Elisabet v. Ungarn, Berlin 1906. 

Bibliografie

    Stagel, Elisabeth [Elsbeth], geboren um 1360, Nonne, Mystikerin im Kloster Töss

    • Einträge 1991–2010

      In: Ursula Isler. Frauen aus Zürich. Zürich, 1991, S.9-35, m.Abb.
      E. St.: all ihr Fleiss war ein Trachten nach geistlicher Lehre: Schritte ins Offene 1991/4 von Ines Buhofer, m.Abb.
      Die theologischen Denkfiguren bei E. St. und ihren Mitschwestern, von Brigitta Stoll, in: Denkmodelle von Frauen im Mittelalter. Hrsg. Béatrice Acklin Zimmermann. Freiburg, 1994, S.149-172.
      Winterthurer Jahrbuch 1994 S.35 f. von Urs Widmer, 1Abb.
      E. St., Seuses geistliche Gefährtin: Alois M. Haas. Kunst rechter Gelassenheit, Themen und Schwerpunkte von Heinrich Seuses Mystik. 2.Aufl., Bern, 1996.
      In: Bettelorden, Bruderschaften und Beginen in Zürich. Hrsg. Barbara Helbling ... [et al.]. Zürich, 2002.
      In: Niklaus Largier. Ein "Schweizer Mittelalter" ?,in: Schreiben gegen die Moderne, Beiträge zu einer kritischen Fachgeschichte der Germanistik in der Schweiz. Hg. Corina Caduff, Michael Gamper. Zürich, 2001.
      In: Arlette Kosch. Literarisches Zürich, 150 Autoren, Wohnorte, Wirken und Werke. Zürich, 2002, S.187.
      In: Krone und Schleier : Kunst aus mittelalterlichenFrauenklöstern ; eine Ausstellung der Kunst- undAusstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, inKooperation mit dem Ruhrlandmuseum Essen ermöglicht durchdie Kunststiftung NRW, [vom 19. März bis 3. Juli 2005] /hrsg. von der Kunst- und Ausstellungshalle derBundesrepublik Deutschland, Bonn und dem RuhrlandmuseumEssen ; [Katalogkoordination: Jutta Frings, Jan Gerchow]. -München : Hirmer, 2005.


Autor/In:
Mirjam Sidler
Letzte
Bearbeitung:
08.09.2023