Florabrunnen, Flora-Brunnen, Fortunabrunnen

1580 bestellte die Stadt Winterthur beim Bremgartner Brunnenmeister Melchior Hartmann einen neuen repräsentativen Laufbrunnen für die obere Vorstadt, direkt beim Haus «zum Adler». Hartmann hatte kurz davor bereits den Goldbrunnen fertiggestellt. Ob der neue Brunnen bereits von Beginn an eine Figur trug. Lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.

Seine heutige klassizistische Gestalt erhielt der Brunnen im Jahr 1770, als er grundlegend erneuert wurde. Gleich wie beim Justitiabrunnen verfügt der Florabrunnen ebenfalls über zwei ineinandergeschlungene Delphine, aus deren Münder das Wasser heraussprudelt. Sie sind allerdings wesentlich kleiner, als ihre Geschwister beim Justitiabrunnen. Auf einer kannelierten Säule mit ionischem Kapitell thront eine Frauengestalt, die als Flora oder Fortuna gedeutet wird. Sie hält in ihrer rechten Hand ein kleines Blumensträusschen und hebt ihren Umhang über ihre linke Schulter. 1806 musste die Brunnenfigur renoviert werden. 1931 musste die bröckelnde Figur abermals durch eine Kopie von Fritz Liechti ersetzt werden. Die originale Statue befindet sich seither auf der Mörsburg.

Ob es sich nun um den «Florabrunnen» oder «Fortunabrunnen» handelt, ist in Winterthur umstritten. Die Sehnsucht nach Glück scheint allerdings dazu geführt zu haben, dass «Fortuna» der geläufigere Name ist. Die dargestellten Attribute bestehend aus Rosenstrauss, einem langen blauen Gewand und eine Blumenkrone sprechen eher für eine Interpretation als Flora. Fortuna besitzt in der Regel ein Füllhorn, ein Schicksalsrad und eine Kugel, oder dann im 17. Jahrhundert auch vermehrt mit Segel oder im Wind flatternden Tuch.

Als in Winterthur 1871/72 das moderne Wassersytem eingeführt wurde, verlor der Florabrunnen seine ursprüngliche Funktion und Bedeutung. Weil das Verkehrsaufkommen in der Altstadt immer grösser wurde, beschloss der Stadtrat alle grossen Altstadtbrunnen zu entfernen. Der Florabrunnen wurde zusammen mit dem Justitiabrunnen an die Technikumstrasse versetzt. Erst im Zuge der Annahme der Autofreien Altstadt im Jahr 1973 durch das Stimmvolk, entbrannte eine Diskussion um eine Rückversetzung des historischen Brunnens. Insbesondere die Gemeinschaft Marktgasse wünschte sich den Brunnen zurück. 1977 hätte der Florabrunnen zuerst zügeln sollen, doch dann entschied sich die Stadtverwaltung stattdessen für den etwas kleineren und als «hübscher» geltenden Justitiabrunnen.

In den 1980er-Jahren fanden beim Obertor umfangreiche Restaurierungen in den alten Liegenschaften statt. In diesem Kontext durfte der Florabrunnen – frisch restauriert – an seinen ursprünglichen Standort zurückkehren.