Wissenschaft

Friedrich Imhoof-Blumer

Numismatiker, 1838–1920

Friedrich Imhoof-Blumer war ein bekannter Schweizer Numismatiker. Er betreute 59 Jahre lang das Münzkabinett in Winterthur und legte bedeutende Münz- und Gipsabgusssammlungen an, die bis heute als wichtige Referenz für die internationale Forschung dienen. Er trat in Winterthur auch als Mäzen auf und unterstützte unter anderem die Realisierung des Museums- und Bibliotheksgebäudes (Museumstrasse 52) massgeblich.


Geburtsort
Winterthur

Geboren
11.05.1838

Gestorben
26.04.1920


Friedrich Imhoof-Blumer entdeckte schon als junger Knabe seine Leidenschaft für Münzen und wurde später zu einem der führenden Experten für antike Münzen Griechenlands. Protrait um 1862, kurz nachdem er zum Konservator der städtischen Münzsammlung gewählt worden war.
Foto: winbib (Signatur 171925)

Jugend und beruflicher Werdegang

Friedrich Imhoof-Blumer wurde 1838 in gutbürgerliche Verhältnisse geboren. Er war der älteste Sohn des Textilkaufmanns Friedrich Imhoof-Hotze, der erfolgreich in Winterthur mit Baumwolltüchern und -drucken handelte. Friedrich junior hätte in die Fusstapfen seines Vaters treten sollen, doch die persönlichen Interessen und Neigungen des jungen Mannes lagen ganz woanders: Schon früh hatte Friedrich Imhoof-Blumer seine Leidenschaft für Münzen entdeckt und bereits mit einer eigenen Sammlung begonnen. Dabei ging er sehr diszipliniert und akribisch vor. Schon als 13-Jähriger hatte er sein erstes Verzeichnis für seine 220 Münzen angelegt. 

Seinen Interessen für Numismatik und Geschichte konnte er aber einstweilen nur in seiner Freizeit nachgehen, während er eine Ausbildung zum Kaufmann begann. Seine Lehrzeit absolvierte er bei Geschäftspartnern seines Vaters in Marseille und Smyrna (heute Izmir). Imhoof-Blumer nutzte die Aufenthalte in der Ferne und unternahm umfangreiche Reisen durch Griechenland und im Osmanischen Reich.  

Betreuer des Münzkabinetts

1860 kehrte Imhoof-Blumer nach Winterthur zurück und trat in das Geschäft seines Vaters ein. Wie es sich für einen Mann seines Standes gehörte, stellte er sich für die Bekleidung öffentlicher Ämter zur Verfügung. So wurde er Mitglied des Geschworenengerichts und der Rechnungsprüfungskommission. Prägend für seinen weiteren Lebensweg sollte aber die Wahl zum Betreuer der Münzsammlungen der Stadtbibliothek sein. Ein Ehrenamt, das dem 23-jährigen ganz entsprach und dem er 59 Jahre lang treu bleiben sollte. Gleichzeitig wurde er in den städtischen Bibliothekskonvent gewählt. Dieser war das Aufsichtsorgan der Bibliothek, was durchaus bemerkenswert ist, da er dadurch zu seinem eigenen Aufseher wurde. Von 1864 bis 1916 amtete er als Quästor. 1862 heiratete er Elisabeth Blumer – die Tochter eines Geschäftspartners seines Vaters –, mit der er zwei Töchter hatte.

In den 1860er-Jahren hatte Imhoof-Blumer bereits eine bedeutende Privatsammlung mit Schweizer Münzen angelegt. Diese konnte er durch den Ankauf der Privatsammlung des Thuner Landammanns Carl Friedrich Ludwig Lohner nicht nur erweitern, sondern sogar komplettieren. Das Münzkabinett in Winterthur war seither lange Zeit die einzige Stätte in der Schweiz, welche die gesamten heimischen Münzprägungen vom Mittelalter bis in die Neuzeit besitzt. 

1866 konnte Friedrich Imhoof-Blumer rund 2000 griechische Münzen und einige archäologische Objekte aus der Sammlung Fischer in Palermo erwerben. In der Folge begann er systematisch, auch antike griechische Münzen zu sammeln und zu erforschen. Schon bald publizierte er auch in diesem Gebiet. Die Universität Zürich verlieh ihm als Anerkennung für seine bedeutenden Forschungsarbeiten zu griechischen Münzen 1870 den Ehrendoktortitel. Gleichzeitig vernachlässigte Imhoof-Blumer aber auch die Schweizer Sammlung nicht, sondern reicherte diese immer weiter an. Das gesamte Konvolut, bestehend aus 10'578 Münzen und Medaillen, schenkte er schliesslich der Stadt Winterthur als unveräusserlicher Besitz. Winterthur besass damit die beste Münzsammlung der Schweiz. Von 1869 bis 1875 politisierte Imhoof-Blumer im Zürcher Kantonsrat als Vertreter der Demokraten. Die Politik entsprach allerdings seinem eher zurückhaltenden Naturell nicht, wehalb er sich damit auch schwer tat. 

Da Imhoof-Blumer neben seinen öffentlichen Ämtern und der Arbeit im Geschäft nur wenig Zeit für seine persönlichen Studien fand, entzog er sich immer wieder mehrere Stunden seiner Nachtruhe. Er hatte nie ein Hochschulstudium absolviert und eignete sich für seine Forschungsarbeit selbst Altgriechisch und Latein an. Dies führte jedoch nach kurzer Zeit zu einer gesundheitlichen Krise. Sein Vater musste einsehen, dass dieser Zustand längerfristig nicht aufrechterhalten werden konnte und beschloss in den 1870er-Jahren, seine Firma aufzulösen. Mit dem so freigewordenen Kapital konnte sich Friedrich Imhoof-Blumer ganz auf die Numismatik konzentrieren und seine Leidenschaft zum Beruf machen. Mit seinem Engagement wurde er zu einem Wissenschaftler mit Weltruf, der auch international mit den höchsten akademischen Ehren ausgezeichnet wurde. So war er Ehrenmitglied in verschiedenen traditionsreichen Akademien und Fachgesellschaften und erhielt vom Deutschen Kaiser die Ritterwürde verliehen.

Der Corpus Nummorum

Imhoof-Blumer setzte seine rege Publikationstätigkeit fort, die zu wichtigen Grundlagewerken für Numismatiker wurden. Damit erregte der umtriebige Winterthurer die Aufmerksamkeit des international bekannten Althistorikers und Wissenschaftsorganisators Theodor Mommsen. Dieser hatte sich unter anderem mit der umfangreichen Edition der lateinischen Inschriften (CIL) einen Namen gemacht. Nun wollte er auch alle griechischen Münzen wissenschaftlich erschliessen. Er konnte sich dabei keinen besseren Projektleiter vorstellen als Friedrich Imhoof-Blumer.

1888 wurden die Arbeiten am «Corpus Nummorum» aufgenommen. Angesiedelt war das Projekt an der Berliner Akademie, doch Imhoof-Blumer bestand darauf, in Winterthur zu bleiben. Aus diesem Grund wies er seine üblicherweise in Berlin stationierten drei bis vier Projektmitarbeitenden in seiner Privatwohnung in Winterthur ein. Mommsen überzeugte Friedrich Imhoof-Blumer davon, seine private Sammlung griechischer Münzen in das Berliner Münzkabinett zu überführen. Dabei behielt er aber die 900 schönsten Exemplare zurück. Einen Viertel des Erlöses spendete Imhoof sogleich dem «Corpus Nummorum», um das Projekt voranzutreiben. 1898 erschien der erste Band, 1912 und 1913 folgten zwei weitere. Damit überdauerte die Reihe seinen geistigen Schöpfer, denn Theodor Mommsen verstarb bereits 1903. Das gewaltige Editionswerk erlebte nach dem Tod von Friedrich Imhoof-Blumer eine lange Unterbrechung. Es fehlten treibende Kräfte, die es weiter voranbrachten. 1956 wurden die Arbeiten in der damaligen DDR von der Akademie der Wissenschaften wiederaufgenommen. Das Projekt wurde jedoch 2003 eingestellt. Seit 2012 ist mit dem Corpus Nummorum Online eine neue Datenbank in Betrieb. 

Wirken als Mäzen

Friedrich Imhoof-Blumer war nicht nur ein bedeutender Numismatiker, sondern betätigte sich auch als grosszügiger Mäzen im Winterthurer Kulturleben. So finanzierten er und sein Vater die Treppe des Stadthauses mit einer Schenkung von rund 15 000 Franken. Ebenfalls war er ein regelmässiger Donator der Stadtbibliothek, die auf diese Weise immer wieder mit wertvollen Büchern, archäologischen Objekten und Medaillen versorgt wurde. Als die Stadt im Zuge des Nationalbahn-Debakels unter einer starken Schuldenlast litt und deshalb die finanziellen Mittel der städtischen Sammlungen massiv gekürzt wurden, half Imhoof-Blumer mit weiteren Schenkungen und der Finanzierung von Ankäufen aus. Ebenfalls förderte er 1908 den Bau eines neuen Museums- und Bibliotheksgebäudes und unterstützte diesen mit grösseren Geldbeiträgen und Sammelaktionen. Es erstaunt deshalb nicht, dass das Münzkabinett im neu erstellten Gebäude bis zum Umzug in die Villa Bühler im Jahr 1982 einen prominenten Platz innehatte.

Nachlass

Nach dem Tod von Friedrich Imhoof-Blumer im Jahr 1920 ging sein wissenschaftlicher Nachlass an die Stadtbibliothek und an das Münzkabinett über. Dieser umfasst rund 80 000 Gipsabgüsse von antiken Münzen, Manuskripte, seine persönliche Korrespondenz und seine Fachbibliothek. Die Fachbücher und Gipsabgüsse bilden heute eine zentrale Anlaufstelle für Forscherinnen und Forscher aus der ganzen Welt. Dem Kunstverein vermachte er Grafiken und Bücher. Ein umfangreiches Konvolut an Druckgrafiken und Bucheinbänden ging an die Graphische Sammlung der ETH Zürich.


Benutzte und weiterführende Literatur:

Zäch, Benedikt: Friedrich Imhoof-Blumer (1838–1920), Mäzen und Münzforscher, in: Winterthurer Jahrbuch 2021, Winterthur 2020, S. 82–85.
Zäch, Benedikt: Famous Numismatists – Les grand numismates: Friedrich Imhoof-Blumer 1838–1920, in: Commission internationale de numismatique (CIN), Compte rendu 54, 2007 (2008), S. 30–37.
Von Kaenel, Hans Markus: Friedrich Imhoof-Blumer (1838–1920). Ein bedeutender Winterthurer Gelehrter, Sammler und Mäzen, in: Winterthurer Jahrbuch 1990, S. 81–96.
Engeli, Adolf: Friedrich Imhoof-Blumer. 1838–1920, in: Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur (Nr. 258), Winterthur 1924.

Bibliografie

    Imhoof-Blumer, Friedrich, 1838-1920, Numismatiker

    • Einträge ab 2011

      Zäch, Benedikt: Friedrich Imhoof-Blumer (1838-1920), Mäzen und Münzforscher. In: Winterthurer Jahrbuch 2021. S. 82-85. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      ... ein wohl grossartiges, aber ausführbares Unternehmen: Theodor Mommsen, F. I.-B. und das Corpus Nummorum: Klio 1991/1 S.304 ff. von Hans-Markus von Kaenel.
      Villa Bühler und das Winterthurer Münzkabinett: Münzen Revue 1998/11 m.Abb.
      In: Die Anfänge der Klassischen Archäologie in der Schweiz und die ersten Kontakte zu Griechenland: Kunst+Architektur 2000/1 von Hans Peter Isler, m.Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
05.12.2022