Industrie- und Gewerbeanlagen

Steigmühle Töss

Zürcherstrasse 320-324

Die Steigmühle Töss wurde 1861 von Gottlieb Heinrich Reinhard gegründet. 1885 kam die Mühle in den Besitz der Familie Bosshard. Nachdem die Mühle 1964 einem Brand zum Opfer gefallen war, wurde sie 1966 wieder aufgebaut und mit modernsten Maschinen ausgestattet. Nach der Einstellung des Betriebs 1995 hatten verschiedene Investoren Pläne für die Umnutzung der Mühle, die aber allesamt scheiterten. Erst im Herbst 2012 konnte das «Claudia - House of Sounds», das unter anderem Bandräume an Musikschaffende vermietet, eröffnet werden.


Adresse
Claudia House of Sounds
Zürcherstrasse 320-324
8406 Winterthur
Die Steigmühle Töss, Zürcherstrasse 320-324, vor dem Brand anfangs der 1960er Jahre
Foto: winbib, Andreas Wolfensberger (Signatur FotDig_WolfA_0109)

Die alte Mühle

Die Steigmühle Töss wurde 1861 von Gottlieb Heinrich Reinhard gegründet. Das Mühleareal umfasste neben dem Mühle-Hauptgebäude ein Büro- und Wohngebäude und ein Ökonomiegebäude. Das im klassizistischem Stil gebaute Büro- und Wohngebäude befand sich rechts der Mühle stadteinwärts, während das im gleichen Stil gebaute Ökonomiegebäude links vom Hauptgebäude stadtauswärts war. Angetrieben wurde die Steigmühle mit dem Wasser der Kempt. 1870 trat Reinhard die Mühle aufgrund finanzieller Schwierigkeiten an die Bank in Winterthur ab. Sechs Jahre später erwarb Eduard Appenzeller aus Höngg 1876 die Mühle bis sie dann 1882 erneut in den Besitz der Bank in Winterthur zurückging. 1885 kaufte Hans-Rudolf Bosshard aus Bauma den Mühlebetrieb. Er betrieb zuvor in Bauma eine Hafer- und Weizenmühle mit angegliederter Sägerei. Nachdem diese 1884 abgebrannt war, verlegte Bosshard 1885 seinen Betrieb nach Töss in die Steigmühle.

Ab 1888 gelangte das Wasser vom neugebauten Kemptweiher über einen Kanal, der parallel zur Zürcherstrasse verlief, zur Mühle. Zur Mühle gehörte neben einem Landwirtschaftsbetrieb auch eine Sägerei. Von 1895 bis 1900 war zudem die Nagelfabrik von Jakob Heinrich Sulzer-Bühler der Steigmühle Töss angegliedert. Sie war der Vorläufer der Schweizerischen Nagelfabrik AG. 1893 richtete Rudolf Bosshard in der Mühle zusätzlich eine Erbsenschälerei ein und 1896 konnte er die Produktion von Milchersatzmehl aufnehmen. 1905 übernahm sein Sohn Rudolf Bosshard den Betrieb. Er erweiterte ihn 1911 um eine Hafermühle und baute einen Silo an. Während des Ersten Weltkrieges konnte die Steigmühle ihre Produktionsleistung lange halten. In den Jahren 1917/18 nahm sie aber ab und betrug nur noch einen Viertel der Vorkriegsjahre. Nach dem Krieg wurden 1924 die ersten Lastautos angeschafft und die Pferde, die bis dahin für den Transport zuständig waren, wurden nicht mehr gebraucht. In den Jahren darauf wurde dann auch der zur Mühle gehörende Landwirtschaftsbetrieb aufgegeben.

Aktiengesellschaft, Kriegsjahre und Aufschwung

Mitten in der Wirtschaftskrise der 1930er Jahre wurde die Steigmühle 1930 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 1933 übernahm Erwin Bosshard die Leitung der Steigmühle. Dem Betrieb machten in dieser Zeit nebst der grossen Konkurrenz auch die vielen staatlichen Verordnungen zu schaffen, so zum Beispiel die Kontigentierungen von Hafer, Gerste und Hirse. Bosshard gelang es aber die Produktion stetig der Nachfrage anzupassen und 1937 eine Gerstenschälerei einzurichten. Während des Zweiten Weltkrieges betrug die Produktion im schwierigsten Jahr dann nur noch 28% der Vorkriegsjahre. Nach dem Krieg konnte die Produktion dann aber wieder gesteigert und 1958 ein neues dreissig Meter hohes Silo gebaut werden.

Brand 1964

In der Nacht auf den 23. September 1964 brach kurz vor drei Uhr morgens in der Steigmühle Töss ein Feuer aus. Dieses wurde von einem der beiden anwesenden Schichtarbeitern in der Flockentrocknungsmaschine entdeckt. Er versuchte das Feuer zu löschen, während der Betriebsleiter die Feuerwehr alarmierte. Neben der städtischen Feuerwehr rückten die Löschzüge von Töss und Dättnau und eine Gruppe der Betriebsfeuerwehr der Firma Rieter AG und eine der Firma Gebrüder Sulzer AG  aus. Insgesamt waren es über 100 Männer. Leider konnte die Feuerwehr das Feuer, das sich im hölzernen Mühlegebäude rasant ausgebreitet hatte, nicht löschen und das Mühlegebäude brannte vollständig ab. Der Feuerwehr gelang es aber das Büro- und Wohnhaus, das dreissig Meter hohe Silo und das Ökonomiegebäude gegen die Flammen abzuschirmen und zu retten.

3 Millionen Schaden und Wiederaufbau

Der Brand verursachte einen Schaden von 3 Millionen Franken. Trotz der hohen Kosten entschied sich die Geschäftsleitung die Mühle gleich wieder aufzubauen. Das Ingenieur Büro H. Schoch leitete die zwei Jahre andauernden Bauarbeiten. Der neue Mühlebetrieb wurde mit modernsten Maschinen der Firma Gebrüder Bühler aus Uzwil ausgestattet und es wurde von Wasserantrieb auf elektrischen Einzelantrieb umgeschaltet. Unter dem Namen «TOSA» wurde anfänglich vorallem Haferfolcken verkauft. Später kam die Produktion von Hundefutter und dann diejenige verschiedener Flockenmischungen zur Aufzucht von Schweinen und Kälbern dazu. 1980 betrug die gesamte Jahresproduktion der Steigmühe AG rund 10'000 Tonnen. 

Neuer Betrieb in der alten Mühle

1995 wurde der Mühlebetrieb eingestellt. Nach der Betriebsschliessung hatten verschiedene Investoren unterschiedlichen Ideen wie man die Steigmühle Töss neu nutzen könnte. Unter anderem versuchte ein Möbelgrosshändler die Mühle in ein Gewerbezentrum umzubauen. Ein weiterer Investor wollte in der Mühle ein Haus der Unterhaltung mit Casinobereich, Theater, Dancing und diversen Restaurants einrichten. Die verschiedenen Projekte scheiterten unter anderem an der Finanzierung oder an fehlenden Lizenzen. 2010 kommunizierte die Zürichparis AG das Projekt "House of Sounds". Sie plante in der ehemaligen Steigmühle ein Zentrum der Musik einzurichten. Im Oktober 2012 konnte das «Claudia – House of Sounds» eröffnet werden und die ersten Bands ihre Räume beziehen darunter auch die weltbekannte Winterthurer Band Eluveitie. 


Benutzte und weiterführende Literatur

Busz, Stefan: Luftsprünge an der Autobahn. in: Der Landbote, 23.2. 2000 
Herter, David: Zürcher Besitzer wollen die Steigmühle loswerden. in: Der Landbote, 2. Juli 2022.
Keller, Jonas: Wo die letzten Nägel gefertigt werden. in: Der Landbote, 5. Dezember 2020.
Landolt, Karin: Eröffnung verschiebt sich auf Ende 06. in: Der Landbote, 29.10.2005. 
Landolt, Karin: Nur der Hochwasserschutz fehlt. in: Der Landbote, 17.1.2007.
Müller, Henry: Die Geschichte der Steigmühle. in: De Tössemer, Nr. 1, 1980.
Nach dem Brand der Stegmühle. in: Der Landbote, 25.9.1964.
Verheerender Brand bei der Steigmühle. in: Der Landbote, 24.9.1964.

Bibliografie

    Steigmühle Zürcherstrasse. Claudia - House of Sounds

    • Einträge ab 2011

      Von der Steigmühle zum "House of Sounds". In: De Tössemer, Nr. 4 (2013). S. 19. m. Abb.
      Hoster, Alexandre-Michel: Ein musikalischer Leuchtturm an der Autobahn. In: Winterthurer Jahrbuch (2014). S. 70-81. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      Immobilienschwindel (Anton Riethmann): Landbote 1997/179 m.Abb., 217 1Abb., 2009/142.
      Verkauf: Landbote 1998/99 1Abb., 1999/144 noch nicht verkauft. Spielcasino: NZZ 1999/166 S.39, 257 S.45 Projektwettbewerb. - Landbote 1999/165 1Abb. - Tages-Anzeiger 1999/256.
      Kein Kino: Landbote 2000/20.
      Spielcasino: Landbote 2000/45 m.Abb. - NZZ 2000/45 S. 41. - Tages-Anzeiger 2000/45. - Stadtanzeiger 2000/8 m.Abb. - Schw. Baublatt 2000/23 Projekt, m.Abb. [Winterthurer Dok.2000/36].
      Keine Rekurse: NZZ 2000/256 S.49.
      Sozialkonzept: Landbote 2000/87.-- Absage: Landbote 2001/113. - NZZ 2001/114 S. 45.
      Gewerbezentrum: Landbote 2001/225 1Abb., 2005/82 1Abb.
      Umbau? Landbote 2005/253 1Abb., 2006/232 1Abb. - NZZ 2006/233 S. 58.
      Billigdiscounter und Generikaproduzent? Landbote 2007/13 1Abb.
      Gewerbezentrum: NZZ 2007/98 S. 61.
      Baustopp: Landbote 2009/138 1Abb. --Neue Investoren: Landbote 2009/220.
      Pharmafirma Medanpharm: Landbote 2010/8 m.Abb.


Autor/In:
Karin Briner
Letzte
Bearbeitung:
29.04.2023