Kunst und Kultur

Hedy Hahnloser-Bühler

Kunstgewerblerin und Kunstsammlerin, 1873–1952

Hedy Hahnloser-Bühler war eine Winterthurer Kunstsammlerin, Schriftstellerin und Kunstgewerblerin. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Arthur Hahnloser legte sie zwischen 1907 und 1936 eine hochwertige Sammlung moderner französischer Kunst an. Gleichzeitig war sie eine wichtige Kunst- und Kulturförderin in der Stadt Winterthur. 1995 wurde die Villa Flora und die sich darin befindliche Sammlung Hahnloser für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.


Geburtsort
Winterthur

Geboren
05.02.1873

Gestorben
09.05.1952


Hedy Hahnloser, Portrait um 1920. 
Foto: winbib (Signatur 171502)

Kindheit und Jugend

Hedwig (Hedy) Bühler wurde am 5. Februar 1873 in Winterthur als zweite von drei Töchtern des Spinnereibesitzer-Ehepaares Carl Bühler (1845–1897) und Ida Blumer (1846–1912) geboren. Sie wuchs in gutbürgerlichen Verhältnissen in der Villa Bühlhalde an der Rychenbergstrasse auf. Sie war ein kränkliches Kind und anfällig für Infektionskrankheiten; in jungen Jahren litt sie unter dem patriarchalen und strengen Elternhaus und den nicht so harmonischen Verhältnissen zwischen ihren Eltern. So wuchs sie als revolutionäre Bürgerliche heran, die kein Blatt vor den Mund nahm, ihre Interessen mit Nachdruck vertrat und manchmal als schwierig empfunden wurde. Schon früh entwickelte sich eine intensive Freundschaft mit ihrem jüngeren Cousin Richard Bühler, mit dem sie später auch ihre Leidenschaft für Kunst teilte. 

Der Lebensweg wurde von den Eltern nach den damals geltenden bürgerlichen Idealen vorgegeben. Während die männlichen Nachkommen eine akademische Laufbahn zu verfolgen hatten, kamen die weiblichen Nachkommen in den Genuss einer musischen Bildung und sollten darüber hinaus für ihre Rolle als Hausherrin und Mutter vorbereitet werden. 1889 schrieb Hedwig Bühler sich in die Zeichenschule für Industrie und Gewerbe in St. Gallen ein, wo sie Ornamentzeichnen lernte.

Nicht goutierte Liebe

Im Alter von 18 Jahren lernte Hedy Bühler an einem Schützenfest der Gymnasialverbindung Vitodurania den Medizinstudenten Arthur Hahnloser kennen und lieben. Ihre Eltern goutierten die Beziehung zu dem Spross einer katholischen Kaufmannsfamilie nicht. Um der elterlichen Beobachtung zu entgehen, bat sie nach Abschluss ihrer Zeichenschule darum, eine Malschule in München besuchen zu dürfen, was ihr gestattet wurde. In München verkehrte sie in der Kunstszene und knüpfte wichtige Kontakte. Ebenso konnte sie in Deutschland auch ihre Beziehung zu Arthur Hahnloser vertiefen, der zu diesem Zeitpunkt in München studierte. Seine Eltern waren der Beziehung weniger abgeneigt und liessen Treffen in ihrem Haus zu. An der Malerei fand sie – obwohl sie durchaus talentiert war – weniger Gefallen, wenn immer möglich zog sie das Klavierspiel dem Pinsel vor.

Dennoch kehrte sie mit ausgezeichneten Zeugnissen und Werken nach Winterthur zurück, die auch lobende Anerkennung beim mit der Familie befreundeten Architekten Ernst Jung fand. Ein geplanter zweiter Aufenthalt in München musste sie dann aber abbrechen, da ihr Vater 1896 an Krebs erkrankte und sie zu sich ans Krankenbett zurückrief. Bis zu seinem Tod am 11. Juni 1897 verweilte sie an seiner Seite und erledigte zeitweise auch seine Arbeiten für den Kantonsrat für ihn.

Die Villa Flora – von der Augenklinik zu einem Haus für die Kunst

Nach dem Tod des Vaters verkauften Hedy und ihre Geschwister ihre Anteile an den Bühler-Spinnereien an Johann Heinrich Hermann. Ebenfalls willigte ihre Mutter unter gemeinsamer Vermittlung eines reformierten und katholischen Pfarrers in die Heirat mit Arthur Hahnloser ein. Mit einem Teil des Erbes kaufte das Ehepaar die sich seit 1846 im Besitz der Familie Bühler befindliche Villa Flora. Die Villa diente nicht nur als Wohnhaus, sondern wurde von Arthur Hahnloser auch die erste private Winterthurer Augenklinik samt Operationssaal betrieben. Hedy unterstützte ihren Mann im Klinikbetrieb, kümmerte sich um die stationären Patientinnen und Patienten und ging auch mit auf Hausbesuche. In Winterthur wurde Arthur Hahnloser als «Augenarzt der Armen» bekannt, weil er diese unentgeltlich versorgte. 

Die Augenklinik belastete jedoch das Privatleben des jungen Ehepaars und oft arbeiteten beide bis zur Erschöpfung. Die Anwesenheit von infektiösen Kranken und Medizinalien im eigenen Haus war nicht ungefährlich für die Eltern und auch die beiden Kinder, die 1899 und 1901 zur Welt kamen. Die Lage in der Klinik entspannte sich etwas, als 1908 die Privatklinik Lindberg eröffnet wurde und Arthur Hahnloser seinen Operationsbetrieb einstellen konnte. Er verlagerte seine Arbeit nun in die Klinik, womit die Villa Flora wieder ganz der Familie gehörte.

Neben der Mithilfe in der Klinik beschäftigte sich Hedy Hahnloser intensiv mit dem Kunsthandwerk und stellte Textilien her. 1907 konnte sie gemeinsam mit dem Architekten Robert Rittmeyer, dem Zeichenlehrer Alfred Messer und Julie Jung-Deutsch eine Ausstellung für das Winterthurer Inneneinrichtungsgeschäft Weber-Hoffmann ausstatten, während Carl Montag das Ensemble mit passenden Malereien ergänzte. In gleicher Formation machte die Gruppe ein Jahr später auch an der Zürcher Raumkunstausstellung mit. Das Prunkstück der Ausstellung, der Gesellschaftsraum von Robert Rittmeyer, wurde danach in die Villa Flora eingebaut. Dieser Umbau bildete den Auftakt für eine sukzessive Umgestaltung der Villa in ein Haus der Künste.

Engagement im Winterthurer Kunstverein

Ab 1905 lud Hedy Hahnloser jeden Dienstagnachmittag zum «Revolutionskaffee», wo kulturpolitische Angelegenheiten besprochen wurden. Darunter beispielsweise auch die Rettung der Innenausstattung im Schloss Wülflingen. Zu diesem Zweck setzte Hedy Hahnloser das Schloss als Kinderspiel um und bot dieses im Rahmen eines Spendenbazars zum Verkauf an. 

Zum inneren Zirkel dieses Kränzchens gehörten unter anderem der Maler Jules de Praetere, der Architekt Robert Rittmeyer, der spätere Stadtrat Alfred Messer, der Industrielle Richard Bühler sowie die Gymnasialprofessoren Rudolf Hunziker, Walther Hünerwadel und später auch Paul Fink. In dieser illustren Runde wurde auch nicht selten die Angelegenheiten und Positionen im Kunstverein Winterthur besprochen, wobei sie aktiv auf einen Generationenwechsel innerhalb des Kunstvereines hinarbeitete. Dieser konnte 1907 vollzogen werden, nachdem der langjährige Präsident Ernst Jung als Präsident zurücktrat und fünf weitere Vorstandsmitglieder ihren Posten aufgaben. Nun brach die Ära von Hans Sulzer, Richard Bühler, Arthur Hahnloser und Georg Reinhart an, die neuen Schwung in den Verein brachten. Hedy Hahnloser konnte als Frau nicht offiziell mitwirken, doch als Gastgeberin der Kaffeerunde nahm sie dennoch direkten Einfluss auf die Vereinspolitik.

Beginn der Sammlungstätigkeit

1907 begannen Arthur und Hedy Hahnloser selbst Kunst zu sammeln. Durch ihre Leidenschaft für das Kunsthandwerk hatte Hedy Hahnloser bereits direkten Kontakt zu Künstlern. Carl Montag machte das Ehepaar auch mit der Pariser Kunstszene vertraut. Die französische Moderne erweckte das Interesse der beiden Mäzene. Dabei verkehrten sie vor allem in den Kreisen der «Nabis» - es handelte sich dabei um eine Künstlergruppe, die sich hauptsächlich aus Abgängern der avangardistischen Académie Julian rekrutierte. Mitglieder waren Pierre Bonnard, Maurice Denis, Edouard Vuillard, Félix Vallotton, Ker Xavier Roussel und Aristide Maillol. Das Ziel der Nabis war es, die Malerei zu Revolutionieren. Im Ehepaar Hahnloser fanden sie grosszügige Förderer, welche die Künstler auch zu sich in die Villa Flora einluden. 

Eine zweite Künstlergruppe waren die «Fauves», zu denen unter anderem Edouard Manet, Henri Matisse und Henri Manguin zählten. Die erstandenen Malereien liess Hedy Hahnloser in der Villa Flora aufhängen. Viele davon galten nach dem allgemeinen Kunstempfinden in Winterthur mindestens als Provokation, manchmal sogar als skandalös.

Krisenzeit

1909 wurde bei Hedy Hahnloser eine Lungentuberkulose festgestellt. Es folgte eine längere ärztliche Behandlung mit ausgedehnten Kuraufenthalten. Dabei hielt Hedy Hahnloser den Kontakt zu ihren Künstlerfreunden über Briefe aufrecht. Die Kunst half ihr über schwermütige Episoden und auch Ehestreitereien hinweg. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs und mitten in einer Welle des aufkeimenden Nationalismus sahen sich Hedy und Arthur Hahnloser aufgrund ihrer Vorliebe für französischen Kunst heftiger Angriffe und Kritik von schweizerischen Kunstschaffenden ausgesetzt. Auch die Eröffnung des neuen Kunstmuseums, wo die gesammelten Werke französischer Künstler ihren Platz finden sollten, wurde mit Kritik eingedeckt. Gleichzeitig hatte der Krieg auch die finanziellen Möglichkeiten des Ehepaars geschmälert. 

1920 kaufte sich Arthur Hahnloser ein Automobil. Nun reisten die beiden regelmässig nach Cannes, wo sie jeweils die Wintermonate verbrachten. Regelmässige Kunstreisen und Atelierbesuche standen ebenfalls noch auf dem Programm. 

Die Bedeutung der Sammlung Hahnloser

1936 verstarb Arthur Hahnloser überraschend. Hedy Hahnloser förderte danach zwar noch immer Schweizer Maler, doch die Sammlungstätigkeit stellte sie ein. Über die Jahre hinweg hatte das Ehepaar über 300 Werke gekauft. Es handelte sich um eine qualitativ hochwertige und umfangreiche Pioniersammlung der Moderne. Entsprechend gross war auch das Interesse an den Werken, doch blieb ein Besuch in der Villa einem intimen Kreis von Kunstfreunden vorbehalten. 

Erst 1940 wurde die Bildersammlung erstmals öffentlich in Luzern ausgestellt – die Resonanz war gewaltig und die Sammlung Hahnloser erhielt viel Lob und Zuspruch in den Medien und bei Kunstkritikern. Die Hausbesuche wurden nun zu einem regelmässigen Programmpunkt für die Gastgeberin. 1943 folgte dann auch eine besondere Anerkennung vom Kunstverein – Hedy Hahnloser wurde zum Ehrenmitglied ernannt. Auf Anraten ihres Sohnes begann sie nach dem Zweiten Weltkrieg auch ihre persönlichen Lebenserinnerungen aufzuschreiben. Im Alter von 79 Jahren verstarb Hedy Hahnloser 1952 in Winterthur.

Vom Privathaus zu Museum

Nach dem Tod von Hedy Hahnloser kümmerte sich ihre Tochter, Lisa Jäggli-Hahnloser, gemeinsam mit ihrem Mann um die Sammlung und empfing weiterhin Gäste. Um die Sammlung zu erhalten und vor dem Auseinanderfallen zu bewahren, gründeten die Nachkommen der Familie im Jahr 1985 die Hahnloser/Jäggli-Stiftung; ein Trägerverein betrieb die Villa Flora von 1995 bis 2014 als Museum. 2018 kaufte der Kanton Zürich die Villa Flora aus Privatbesitz und gab sie im Baurecht an die Stadt Winterthur ab. Nach einer längeren Umbauphase wird sie als Teil des Verbunds «Kunst Museum Winterthur» 2024 wieder eröffnet.

Würdigung und Biografie

2003 wurde im Quartier Dättnau eine Strasse nach Hedy Hahnloser benannt. Sie wurde dabei als bedeutende Winterthur Mäzenin, Schriftstellerin und Kunstgewerblerin gewürdigt. Im Jahr 2008 veröffentlichte Bettina Hahnloser eine Biografie ihrer Urgrossmutter Hedy Hahnloser mit dem Titel «Revolution beim schwarzen Kaffee» und rückte sie wieder vermehrt ins Blickfeld der Öffentlichkeit.


Benutzte und weiterführende Literatur

Hahnloser-Ingold, Margrit (Hg.): Die Sammlung Arthur und Hedy Hahnloser. Mit den Augen der Künstler, Bern 2011.
Hahnloser, Bettina: Revolution beim schwarzen Kaffee. Hedy Hahnloser-Bühler. Kunstsammlerin und Mäzenin, Zürich 2008.

Bibliografie

    Hahnloser-Bühler, Hedy, 1873-1952, Kunstsammlerin

    • Einträge ab 2011

      Wäspi, Flurina: Alles oder nichts für die Villa Flora. In: Stadtanzeiger, Nr. 30, Jg. 88 (2013). m.Abb. S. 14.
      Vallotton – Manguin – Hahnloser. Correspondance 1908-1928. Margrit Hahnloser-Ingold und Valérie Sauterel. La Bibliothèque des Arts, Lausanne, 2013. 615 S., ill.
      Mebold, Adrian: Hedy Hahnloser bekäme Schreikrämpfe. In: coucou, Nr. 40 (2016). S. 8-14. m. Abb.

      Einträge 1991–2010

      Landbote 1993/104 1Abb.
      Erinnerungen an meine Grossmutter H. H.-B.: Winterthurer Jahrbuch 1996 von Verena Steiner-Jäggli, m.Abb.
      Felix Vallotton als Kunstvermittler vor dem Ersten Weltkrieg. Seine Begegnung mit A. und H. Hahnloser-Bühler, von Margrit Hahnloser-Ingold, m.Abb.; Die Sammlung H. und A. H.-B., von Ursula Perucchi-Petri, m.Abb., in: Die Kunst zu sammeln, Schw. Kunstsammlungen seit 1848. Hrsg. SIK. Zürich, 1998.
      In: Pierre Bonnard : Gemälde und Zeichnungen / hrsg. von Ursula Perucchi-Petri und Dieter Schwarz. Düsseldorf : Richter ;Winterthur : Kunstmuseum, 2004. Erschienen anlässlich der Ausstellungen "Werke aus Schweizer Sammlungen", Kunstmuseum Winterthur, 28.3.-20.6.2004 und "Der Maler und seine Modelle", Villa Flora Winterthur, 28.3.2004-16.1.2005.
      Vallotton und Winterthur: l'oeuvre peint : Kunst + Architektur in der Schweiz 2006/4 S. 65 f. von Dieter Schwarz, 1Abb..
      Hahnloser, Bettina:Revolution beim schwarzen Kaffee : Hedy Hahnloser Bühler, Kunstsammlerin und Mäzenin / von Bettina Hahnloser. - Zürich, 2008. - Landbote 2008/137 von Angelika Maass, m.Abb. - NZZ 2008/174 S. 28 von Lucia Angela Cavegn, 1Abb.
      Euses Blättli 2008/87 von Verena Steiner-Jäggli, m. Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
07.09.2023