Verkehr und Infrastruktur

Bahnhof Oberwinterthur

Das erste Bahnhofsgebäude in Oberwinterthur wurde 1875 erbaut. 1918 kam zum Güterschuppen mit Billettschalter ein neubarocker Bahnhof im rittmeyerischen Stil dazu. Bis in die 1950er Jahre lag der Bahnhog abseits des Siedlungsgebiets mitten in der Industrie. 1990 wurde er zur S-Bahnstation umgebaut und 2022 zur Selbstbedienungsstation.


Baujahr
1918


Adresse
Bahnhof Oberwinterthur
Frauenfelderstrasse 25
8404 Winterthur
1903: Bahnhof Oberwinterthur mit Dampflokomotiven Foto: winbib, Emil Stössel (Signatur 066161)

Das erste Bahnhofsgebäude

Die 1855 eröffnete Linie der Nordostbahn führte von Zürich über Winterthur nach Romanshorn. In Oberwinterthur hielt der Zug nicht. Damals hatte die Gemeinde Oberwinterthur noch keinen Bahnhof. Gut zwanzig Jahre später eröffnete die Schweizerische Nationalbahn eine weitere Linie, die Oberwinterthur passierte: die Strecke von Winterthur über Oberwinterthur nach Etzwilen, Singen und Konstanz. Im Zuge der Eröffnung dieser neuen Zuglinie wurde 1875 das erste Bahnhofsgebäude in Oberwinterthur errichtet. Das einfache Stationsgebäude mit Schalterraum für den Billetverkauf, einer Wohnung und einem Güterschuppen baute Cornard Bär.

Neubau 1918 in rittmeyerischen Stil

1902 ging die Bahnline Winterthur-Singen an die SBB über. Anlässlich des angekündigten Besuchs des deutschen Kaisers Wilhelm II. wollte die SBB ein neues repräsentatives Bahnhofsgebäude in Oberwinterthur bauen. Geplant war eine repräsentativer Bau mit neubarocken Formen und neoklassizistischer Gestaltungselementen im rittmeyerschen Stil. 1914 konnte das Projekt in Angriff genommen, jedoch erst 1918 fertiggestellt werden. Das zweigeschossige symmetrische Haus mit Walmdach wurde aus Muschelkalk- und Muschelsandstein gebaut. Im EG befand sich der Wartesaal der zweiten Klasse und eine Schalterhalle. Daneben war ein eingeschossiger Terrassenanbau mit identischer Sockelgestaltung angebaut. Dort befand sich der Wartesaal der dritten Klasse. Im OG war eine Vierzimmerwohnung mit kleinem Badezimmer und einer Küche mit Essecke. 1957–1958 wurde das Bahnhofsgebäude um einen eingeschossigen Anbau erweitert. Der Bahnhof Oberwinterthur ist Teil des Inventars der Denkmalschutzobjekte von überkommunaler Bedeutung des Kantons Zürich.  

Ansiedelung der Industrie rund um den Bahnhof

Der Bahnhof befand sich zu Beginn abseits des auf dem Hügel konzentrierten Dorfes Oberwinterthur. Erschlossen war er durch die Riedbachstrasse. Um 1900 suchten viele Gewerbe- und Industriebetriebe nach freien Flächen ausserhalb der Innenstadt mit Gleisanschluss. Rund um den Bahnhof Oberwinterthur wurden sie fündig. 1902 siedelten sich unter anderem das Fouragegeschäft Gebendinger & Hoerni und kurz darauf das Hobelwerk von Kälin & Co. AG am Bahnhof Oberwinterthur an. In den 1920er Jahren kam der Kohle- und Heizölvertrieb Ed. Kübler & Co. dazu. Sie alle profitierten vom direkten Gleisanschluss. Die Maschinenfabrik Sulzer AG hatte etwas weiter stadteinwärts sogar ihren eigenen Rangierbahnhof mit Lokomotivdepot. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts befand sich der Bahnhof am Rande des Siedlungsgebiets und war in erster Linie durch die vielen Gewerbe- und Industriebetriebe geprägt. Erst in den 1950er Jahren wuchs die Siedlung immer näher an den Bahnhof heran. Die Frauenfelderstrasse wurde ausgebaut und der Bahnhof an die neue Hauptstrasse angeschlossen. Etwas später verschob sich das kommerzielle Zentrum von Oberwinterthur vom historischen Kern weg ins Gebiet Schiltwiesen, wo 1970 das Römertor mit Saal und Einkaufsmöglichkeiten eingeweiht wurde. Durch den stetig wachsenden Verkehr auf der Frauenfelderstrasse und den Gleisen auf der anderen Seite blieb der Bahnhof aber weiterhin von den Wohnquartieren abgeschlossen.

Umbau zur S-Bahnstation 1990 mit neuem Perron

Von 1989 bis 1991 erfuhr der Bahnhof Oberwinterthur mit der Einführung der S-Bahn nach Seuzach 1981 und der neuen S-Bahn-Abstellanlage in der Hegmatten umfangreiche Neuerungen. Die SBB brach das Gleis 4 ab und baute zwischen dem Gleis 3 und 5 ein 320 Meter langes Zwischenperron mit einer postmodernen Stahl-Kunststoff-Dachkonstruktion. Auf der Bahnhofsseite kamen neue Velounterständer dazu. Erschlossen wurde das neue Perron durch zwei neue Personenunterführungen. 1990 konnte der neue Bahnhof zeitgleich mit dern SBB-Unterhaltungsanlage Oberwinterthur Eröffnung feiern.

Aus dem alten Güterschuppen wird ein Shop

Im Jahr 2010 riss die Migros den alten Güterschuppen am Bahnhof Oberwinterthur ab und ersetzte ihn durch einen Neubau. Im pavillonartigen Gebäude richtete die Migros eine Verkaufsfläche von 150 bis 160 Quadratmetern ein. Der Standort am Bahnhof Oberwinterthur war für die Migros interessant, da die Pendlerzahlen im Kreis Oberwinterthur rasant anstiegen. Der Shop war sieben Tage die Woche geöffnet. Im Jahr 2020 musste die Migros den Shop beim Bahnhof Oberwinterthur schliessen. Der Kiosk-Konzern Valora machte der SBB ein besseres Angebot und übernahm das Gebäude. 2021 eröffnete der neue Avec-Store. 

Vom bedienten Schalter zur Selbstbedienungsstation

Am 1. Juli 2022 gab die SBB am Bahnhof Oberwinterthur ihren Schalterbetrieb auf und stellte auf Selbstbedienung um. Der Bahnhof Oberwinterthur hatte als letzter Quartierbahnhof einen Billettschalter. Zuletzt schloss 2019 der Schalter am Bahnhof Seen. Grund dafür war die abnehmende Nachfrage und die angespannte finanzielle Lage der SBB während der Corona-Pandemie. 2022 wurden gerade noch 5 Prozent der Billette am Schalter gekauft.

Masterplan Bahnhof Oberwinterthur 2040

Der Bahnhof Oberwinterthur ist 2025 der drittwichtigste Bahnhof der Stadt. Abgetrennt vom historischen Zentrum, dem Römertor und von Neuhegi fristet der Bahnhof Oberwinterthur mitten im Stadtteil ein Schattendasein. In der räumlichen Entwicklungsperspektive 2040 definierte die Stadt Winterthur den Bahnhof Oberwinterthur als einen von sechs Schwerpunkten und plant seine Aufwertung im Rahmen des Ausbauschritts 2035. 

Benutzte und weiterführende Literatur

Bahnhof Oberwinterthur — Stadt Winterthur
Herter, David: Schalter im Bahnhof Oberwinterthur schliesst. In: Der Landbote, 29.3.2022.
Herter, David. Migrolino-Shop in Oberi: SBB erhoffen sich nicht nur mehr Miete. In: Der Landbote, 22.10.2020.
Freuler, Martin: Migros greift die Tankstellen an. In: Der Landbote, 30. März 2010.
Bärtschi, Hans-Peter: Winterthur. Industriestadt im Umbruch. S. 62-64.
S-Bahn: Auch Winterthur profitiert. In: Neue Zürcher Zeitung, 17. November 1989.

Autor/In:
Heinz Bächinger
Unredigierte Version
Letzte
Bearbeitung:
22.12.2025