Wohnhäuser

Villa Lindeneck

Lindstrasse 16

Die Villa Lindeneck ist ein typisches Beispiel für die repräsentativen Villenbauten des späten 19. Jahrhunderts in Winterthur. Sie gehörte ursprünglich Fritz Schoellhorn, dem Patron der Brauerei Haldengut. Zwischen 2021 und 2025 wurde die Villa umgebaut und durch einen Neubau ergänzt und dient seither als erstes Geburtshaus von Winterthur.


Baujahr
1895

Neubau
2025


Adresse
Geburtshaus winterthur
Lindstrasse 16
8400 Winterthur

Die Villa des Brauerei-Patrons

Auf dem Areal der heutigen Villa Lindeneck errichtete Johannes Keller Junior bereits 1862 ein Wohnhaus mit einer freistehenden Stallscheune. Als 1882 der nahegelegene Verkehrsknoten Haldenstrasse/Lindenstrassen neu organisiert und neue Bahngleise für die Nordostbahngesellschaft verlegt wurden, liess der damalige Eigentümer Johann Jakob Strasser die beiden Gebäude abtragen.

1895 erwarb Fritz Schoellhorn, der Inhaber der nahegelegenen Brauerei Haldengut, das dreieckige Grundstück. Er lebte zuvor mit seiner Frau und seinen drei Söhnen im Geschäftshaus der Brauerei. Für die rasch wachsende Familie blieb bald kein Platz mehr, und so beauftragte er die Winterthurer Architekten Ernst Jung und Otto Bridler mit dem Bau einer repräsentativen Villa – der Villa Lindeneck. Diese befand sich auf einer Linie zur bereits bestehenden Villa des Vaters Johann Georg Schoellhorn, die einige Jahre zuvor ebenfalls von den beiden Architekten realisiert wurde. Fritz Schoellhorn und Otto Bridler kannten sich vom Militärdienst und waren auch gute Kameraden.

Die zweigeschossige Villa aus rotem Sichtbackstein hat einen asymmetrischen Grundriss. Sie verfügt neben einem Erker auch über einen dreigeschossigen, achteckigen Eckturm. Viele Stilelemente, insbesondere der Sichtbackstein aber auch die Fassadengestalten, sind dem englischen Neobarock und der Neorenaissance zuzuordnen und typisch für die Architektur von Ernst Jung ab den 1890er-Jahren. Der Eckturm hingegen ist eine Besonderheit, die möglicherweise an die schweizerische Bautradition des 16. Jahrhunderts anknüpft oder sich an amerikanischen Einflüssen orientiert. Einzigartig ist auch die aufwendig gestaltete Dachanlage.

Die Villa ist heute ein wichtiger architekturhistorischer Zeitzeuge für die repräsentativen Wohnformen des späten 19. Jahrhunderts. Neben der Architektur ist zudem auch ein grosser Teil des Mobiliars erhalten geblieben.

Garten der Villa Lindeneck

Zur Villa gehörte ein kleiner Landschaftsgarten nach englischem Vorbild. Dieser führte von der Lindstrasse bis zum Hauseingang und war mit einer Backsteinmauer umgeben. Die Anlage hatte geschwungene Wege und kleine Rundplätze mit Sitznischen. Im Garten pflanzten Fachpersonen verschiedene Bäume, darunter Eiben, Fichten, Buchen, Birken und Schwarzkiefern.

Nach dem Tod von Fritz und Lilly Schoellhorn erbte die jüngste Tochter Elsa Müller-Schoellhorn die Villa Lindeneck. Sie liess 1933 eine Garage einbauen und pflasterte den Vorplatz auf der Nordseite. 1934 beauftragte sie den Gartenarchitekten Fritz Haggenmacher mit der Neugestaltung der südlichen Gartenanlage. Dafür wurden einige Bäume gefällt. Während des Zweiten Weltkriegs forderten die Behörden die Villenbesitzenden auf, ihre Landschaftsgärten für die Anbauschlacht zur Verfügung zu stellen. Deshalb wandelte sie einen grossen Teil in einen Gemüsegarten um. Dennoch legte die Hausherrin Wert darauf, dass die ursprünglich von ihren Eltern angelegten Gestaltungsgrundlagen, wie der Baumgürtel, erhalten blieben. 

Umbau in ein Geburtshaus

Im Jahr 2021 wurde bekannt, dass die ehemalige Fabrikantenvilla die neue Heimat für das erste Geburtshaus in Winterthur wird. Für die beiden Villenbesitzer, die Architekten Knut und Christoph Lüscher, erschien die neue Nutzung als ideal: Die Villa befindet sich in Gehdistanz zum Kantonsspital Winterthur. Mit dem Geburtshaus wird das Haus öffentlich zugänglich und in ihrem historischen Zustand weitgehend erhalten bleiben.

Um künftig über 200 Geburten begleiten zu können, wurde die Villa zwischen 2021 und 2025 durch einen Neubau ergänzt. Dabei handelt es sich um einen kompakten Punktbau, der sich organisch in die historische Gartenanlage einfügt. Die Villa ist über ein Treppenhaus mit Bettenlift direkt mit der Geburtenabteilung verbunden. Neben den Gebärzimmern verfügt der Neubau über mehrere Studios, die wahlweise als Wochenbett- oder Personalzimmer genutzt werden können, sowie über eine Praxis und eine Stadtwohnung. Die Pläne für das gesamte Umbauprojekt stammten von Lüscher-Lüscher Architekten. 


Benutzte Archivalien und weiteführende Literatur

Archivalien
Stadtarchiv Winterthur: Städtische Denkmalpflege (Signatur A145/13)
Stadtratsbeschluss: Unterschutzstellung der Liegenschaft Lindstrasse 16, 23.09.2022

Literatur
Boner, Seraina: Geburt in Winterthur: So sieht das fertige Geburtshaus aus, in: Tages-Anzeiger, 12.05.2025.
Antonelli, Elisabetta. Geburtshaus in Wintethur: Der «Traumstandort» ist gefunden, in: Der Landbote, 21.06.2021.
Flury-Rova, Moritz: Backsteinvillen und Arbeiterhäuser. Der Winterthurer Architekt Ernst Jung (1841–1912), 339. Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur, Zürich 2008.

Bibliografie

    Geburtshaus Winterthur

    • Einträge ab 2011

      Portmann, Sandro: Erstes Geburtshaus für Winti. In: Winterthurer Zeitung, Nr. 6 (2023). S. 5. m.Abb.
      Gysel, Annabarbara: Im Geburtshaus Winterthur kommt das ersten Baby zur Welt. In: Der Tössthaler, Nr. 66 (2023). S. 13. m.Abb.
      Hahnloser, Henriette: Villa Lindeneck - Das erste Geburtshaus in Winterthur. In: Winterthurer Jahrbuch 2024. S. 138. m.Abb.
      Westermann, Reto: Ergänzungsbau Villa Lindeneck. In: Winterthurer Jahrbuch 2024. S. 138. m.Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
24.05.2025