Natur und Pärke

Winterthurer Steinbrüche

Bevor die Eisenbahn in der Schweiz Einzug hielt, war der Transport von Steinbrocken mit Pferd und Wagen eine beschwerliche Angelegenheit. Als Baumaterial, beispielsweise für die Altstadthäuser, wurden daher Steine aus der Region verwendet. Davon zeugen verschiedene ehemalige Steinbrüche an den Hügeln rund um Winterthur.


Winterthurer Sandstein für die Kirchtürme

Die Sandsteinschichten der Oberen Süsswassermolasse waren vor 16 bis 5 Millionen Jahren im Raum Winterthur durch Flüsse aus den noch jungen Alpen angeschwemmt und abgelagert worden. Im Laufe der Zeit hatten sie sich zu stabilem Sandstein verfestigt, der sich ab dem Mittelalter als Baustein mit kurzem Transportweg anbot. In beschwerlicher Handarbeit wurde der Sandstein abgetragen und mit Pferd und Wagen zur Baustelle befördert. Dass unter solchen Bedingungen nur besondere Bauten aus Stein errichtet wurden, erklärt sich wohl von selbst. In der Altstadt von Winterthur zählen dazu beispielsweise die beiden Türme der Stadtkirche, für welche Sandstein vom Heiligberg verwendet wurde. Die Sichtsteinarbeiten am Haus zur Geduld wurden aus Bausteinen des ehemaligen Klosters am Beerenberg gefertigt, die aber ursprünglich ebenfalls in der Region Winterthur abgebaut worden waren. Auch für Teile der Kirchen Oberwinterthur und Wülflingen, des ehemaligen Klosters Töss und die Burg Alt-Wülflingen wurde Sandstein aus der näheren Umgebung verwendet. Der Winterthurer Molassesandstein ist relativ weich und porös und hat eine graue oder gelbliche bis bräunliche Farbe.

Mit Steinbauweise gegen Feuersbrünste

Für Wohnbauten in der Altstadt war ursprünglich eine Riegelbauweise mit Holz und verschmiertem Lehm üblich. Ende des 15. Jahrhunderts wurde diese Bauweise durch den Rat verboten. Auch Wohnhäuser wurden seither vermehrt aus Stein gemauert und Schindeldächer durch Ziegeldächer ersetzt. Hintergrund dieser Vorschrift dürfte nicht zuletzt die Feuersbrunst von Mitte des 14. Jahrhunderts gewesen sein, die einen Teil der Altstadtbauten stark beschädigte.

Verschiedene ehemalige Steinbrüche finden sich am Eschenberg beim Gamser oder im Unteren Loo, im Tössertobel am Lindberg wie auch am Zinzikerberg, Hegiberg und Amelenberg. Die meisten Abbaustellen sind inzwischen verschüttet oder von Pflanzen überwuchert und lassen sich nur noch erahnen. Manche dienten zwischenzeitlich als Abfallgruben oder wurden anderweitig künstlich wieder aufgefüllt. An der Schartegg bei Iberg ist die steil angeschnittene Sandsteinschicht einer Abbaustelle allerdings noch heute gut erkennbar. Flur- oder Strassennamen wie der Steinbruchweg in Oberwinterthur, Nübruch bei Gotzenwil oder Neubruch bei Oberohringen weisen auf weitere ehemalige Standorte hin.

Mit dem Einzug der Eisenbahn ab 1850 wurde es möglich, Bausteine von besserer Qualität (z.B. härterer Jurakalkstein) aus anderen Teilen der Schweiz oder aus Süddeutschland relativ günstig und bequem nach Winterthur zu transportieren. Alle Steinbrüche von Winterthur wurden deshalb spätestens Mitte des 19. Jahrhunderts stillgelegt.

Veltheimer Steinbrüche mit besonderer Bedeutung

Von besonderer Bedeutung ist der ehemalige Steinbruch beim Schwimmbad Wolfensberg in Veltheim. Dort wurden während des Sandsteinabbaus versteinerte Überreste von Urtieren und Pflanzen entdeckt, darunter die Riesenschildkröte Testudo Vitodurana Biedermann und Teile eines längst ausgestorbenen Raubtiers mit dem seltsamen Namen Hyaenaelurus sulzeri. Die gut erhaltenen Versteinerungen werden in der Sammlung des Naturmuseums Winterthur aufbewahrt. Vom ehemaligen Sandsteinabbau auf dem Schwimmbadareal ist heute aber nichts mehr zu sehen.


Die zweite Abbaustelle beim Hexenfelsen hingegen ist noch heute gut erkennbar. Sie liegt nur wenige Hundert Meter weiter nordwestlich im Wald zwischen der Gsangrain- und der Kesselbrunnenstrasse und wird insbesondere von Familien und Kindergartenklassen gerne zum Spielen und Klettern besucht. Runde Löcher in der Sandsteinwand könnten Spuren der ehemaligen Abbautätigkeit sein. Und wenn man mit dem Rücken zur Felswand steht und in Richtung Waldrand schaut, kann man sich mit etwas Fantasie den möglichen Zufahrtsweg für die Pferdewagen lebhaft vorstellen.

Braunkohlevorkommen zwischen den Molasseschichten

In der Zeit, als die Obere Süsswassermolasse im Raum Winterthur abgelagert wurde, muss in der Region um Sennhof ein Sumpfgebiet bestanden haben. Das Klima war damals beträchtlich wärmer als heute und in der feuchten Moorlandschaft gedieh eine üppige Pflanzenwelt. Die Überreste dieser Sumpfpflanzen sanken auf den Grund der Tümpel und konnten unter Wasser nicht verrotten, weil der dafür nötige Sauerstoff fehlte. In den folgenden Jahrmillionen wurden sie überdeckt, konserviert und unter zunehmendem Druck zu Braunkohle umgewandelt.


Im Zug der Industrialisierung im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wurden solche Kohlenflöze im ganzen Tösstal zufällig entdeckt oder gezielt gesucht und abgebaut. Davon zeugen zwei bis heute erhaltene Stollen auf dem Stadtgebiet von Winterthur: die Kohlenlöcher am Ankenfelsen bei Sennhof und am Neubruchweg etwas weiter östlich am gleichen Hang, oberhalb des Bahnhofs Kollbrunn. Die abgebaute Braunkohle wurde versuchsweise genutzt, um die Baumwollspinnerei Eduard Bühler in Kollbrunn zu betreiben und die Dampflokomotiven der neuen Tösstalbahn zu befeuern. Da die Kohle aber von schlechter Qualität und das Köhleflöz nur maximal 40cm dick war, lohnte sich der Abbau auf längere Sicht nicht und wurde bald wieder aufgegeben. Die beiden Kohlenlöcher bei Sennhof sind die einzigen ehemaligen Kohlestollen, die im Tösstal noch bestehen. Alle anderen sind eingestürzt und überwachsen.


Die dunkle, bröcklige Kohleschicht kann man an den Stollenwänden noch heute gut erkennen. Beim Kohlenloch am Ankenfelsen ist auch die darüber liegende Schichtfolge spannend. Unmittelbar über der Kohleschicht liegt eine stark kieshaltige Nagelfluhschicht. Dieses Gestein tritt im Raum Winterthur eher selten offen zutage. Darüber und darunter liegen Sandsteinschichten, wie sie für die Obere Süsswassermolasse der Region typisch sind.


Benutzte und weiterführende Literatur

Wiesner, Michael. : Waldzeit – Wälder für Winterthur, Elsau, 2020.
Betschart, Andres: 60 Jahre Schwimmbad Wolfensberg Winterthur. 1937-1997, Winterthur 1997.
WinterthurAutorenteam: Unser Winterthur – Handbuch zur Heimatkunde 1, Winterthur 1972.
Hofmann, W. & Heer, R. : Höhlen im Tösstal, Winterthur, Zürich 1971.

Bibliografie


Autor/In:
Katrin Junker
Letzte
Bearbeitung:
05.04.2023